Terror: Staat will Zugriff auf Videoüberwachung und WhatsApp

Polizeipräsenz in einer Wiener Fußgängerzone (Archivbild). Schon seit den Anschlägen auf das Büro von „Charlie Hebdo“ in Paris im Jänner 2015 gilt in Österreich eine erhöhte Gefährdungslage.
Polizeipräsenz in einer Wiener Fußgängerzone (Archivbild). Schon seit den Anschlägen auf das Büro von „Charlie Hebdo“ in Paris im Jänner 2015 gilt in Österreich eine erhöhte Gefährdungslage.APA/HELMUT FOHRINGER
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Islamistischer Terror gilt im aktuellen Verfassungsschutzbericht als größte Gefahr. Die Staatsschützer wollen mehr Möglichkeiten und setzen auf Prävention.

Extremismus und Terrorismus sind einer der zentralen Punkte des Verfassungsschutzberichts 2016, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Für den Kampf dagegen fordern die Staatsschützer unter anderem, dass ihre Befugnisse erhöht werden. Ein Überblick.

1. Wie groß wird die Gefahr durch religiös motivierten Terror gesehen?

Laut Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, ist der islamistische Extremismus „die größte Bedrohung für die innere Sicherheit Österreichs“. Die erhöhte Gefährdungslage, die seit den Anschlägen auf das Büro von „Charlie Hebdo“ in Paris im Jänner 2015 gilt, bleibt weiter aufrecht. Als Problem sieht man unter anderem die Rückkehrerproblematik – dass Menschen, die für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ gekämpft haben, zunehmend in terroristische Aktivitäten involviert seien. Und dass sie grenzüberschreitende Netzwerke aufgebaut haben. Insgesamt weiß man von 296 sogenannten Foreign Fighters – 90 davon sind mittlerweile wieder in Österreich, 51 waren zuvor an der Ausreise gehindert worden. 45 werden als getötet geführt.

Innerstaatlich spricht Gridling von einem „radikalisierten Umfeld“ in der islamistischen Szene. Unter anderem auch dadurch gefährlich aufgeladen, dass der IS in seinen Publikationen dazu aufgerufen hat, in ihren Heimatstaaten den Jihad zu führen.

2. Wie steht es um Extremismus aus anderen Richtungen?

Beim Thema Rechtsextremismus spricht Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, von einer „unerfreulichen Bilanz“. Die Tathandlungen haben im Vergleich zum Vorjahr zugenommen – 1313 Tathandlungen wurden gezählt, 2015 waren es 1156. Kogler sieht „rechtsextreme Einstellungen in die Mitte der Gesellschaft gewandert“, wobei ein Großteil der Straftaten im Internet verübt werden. Vor dem Computer würden Menschen ihrer Wut freien Lauf lassen und Dinge schreiben, die sie in der Öffentlichkeit nicht gesagt hätten.

Und: Die starke Zunahme von Asylwerbern habe auch die fremdenfeindlichen Straftaten ansteigen lassen. Und nicht zuletzt sei die Steigerung auch damit zu erklären, dass die Bevölkerung eine hohe Sensibilität für Rechtsextremismus entwickelt habe – und etwa die Internet-Meldestelle „NS-Wiederbetätigung“, aber auch Organisationen wie Zara oder die Israelitische Kultusgemeinde stärker im Bewusstsein verankert seien.

Auch bei Linksextremismus gab es einen starken Anstieg der Tathandlungen – von 186 im Jahr 2015 auf 383 im Vorjahr. Der wiederum sei vor allem auf den Bundespräsidentenwahlkampf zurückzuführen – etwa mit Beschmierungen von Plakaten und sonstige Einrichtungen einer Partei.

3. Was hat noch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Österreich?

Ein zentrales Ereignis, das die Lage in Österreich stark beeinflusst hat, war der Putschversuch in der Türkei im Juli 2016. Der habe, sagt Gridling, das Zusammenleben der Türken in Österreich beeinträchtigt. So seien etwa Konflikte zwischen Türken und Kurden dadurch sichtbarer geworden und haben sich verschärft. Auch seien danach türkische Vereine in Österreich gezielt genutzt worden, um Propaganda zu machen, etwa für das Referendum zum Präsidialsystem in der Türkei. In der Putschnacht habe man auch gesehen, wie groß das Mobilisierungspotenzial unter Österreichs Türken sei – immerhin seien um Mitternacht rund 5000 Menschen „spontan“ auf die Straße gegangen.

4. Was will der Staatsschutz tun, um die Sicherheit zu erhöhen?

Im großen und ganzen sind es zwei große Bereiche, mit denen die Bedrohung bekämpft werden soll.

  • Zunächst ist das die Möglichkeit, mit Technik Gefahren besser einschätzen oder Schaden minimieren zu können. Kogler fordert etwa, dass die Behörden künftig auf die Video-Bilder von bereits vorhandenen Überwachungskameras Zugriff bekommen – „anlassbezogen“. Als Beispiel nennt er den jüngsten Terroranschlag in London. Durch die Überwachung habe man die Täter identifiziert und gezielt Informationen über sie an die Polizei weitergeben können. Und nicht nur das – er wünscht sich auch eine gesetzliche Grundlage dafür, dass die Behörden künftig auf verschlüsselte Messengerdienste wie Skype oder WhatsApp zugreifen können. Denn über diese Dienste würden „Vorbereitungshandlungen für Straftaten“ gesetzt. Die ÖVP will ein entsprechendes Gesetz noch im Juni beschließen, die SPÖ zögert noch.
  • Der zweite Schwerpunkt liegt bei der Prävention und Deradikalisierung. So soll im Herbst 2017 ein Aussteigerprogramm aus dem gewaltbereiten Extremismus starten. Gleichzeitig wurde die Zusammenarbeit mit der Justiz ausgebaut – in den Gefängnissen, die potenzielle Nährböden für Radikalisierungsvorgänge sind, wurden Sensibilisierungsveranstaltungen für das Personal durchgeführt.

>> Der komplette Verfassungsschutzbericht 2016 (PDF)

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