E-Bike fahren und wandern gehen: Steil wirkt es erst bergab

Die Lärchkaralm inmitten saftig grüner Wiesen.
Die Lärchkaralm inmitten saftig grüner Wiesen.(c) DANIEL HUG/Bosch
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In der Region Schladming-Dachstein bringt das Motto Bike & Hike den Sommertourismus auf Touren: Mit mehr oder weniger sanfter Motorunterstützung.

Höchste Stufe, leichtester Gang – und los geht's!“ Der Steirer Erich Reith hat uns zu einem steilen Wegstück unweit seines Heimatorts Donnersbachwald geführt. Dort sollen wir erleben, was die E-Mountainbikes können, auf denen wir sitzen. Die höchste Stufe gilt für den Elektromotor, der leichteste Gang für die Beine auf den Pedalen. Die Kombination wirkt: Alle schaffen es mühelos und setzen, oben angekommen, unwillkürlich ein breites Grinsen auf.

Wir merken aber auch, dass wir ziemlich außer Atem sind. Und lernen auf diese Weise: Die Elektromotoren, die an den Tretkurbeln mit anpacken, sind richtig stark; die Fahrer müssen aber das Ihre dazu beitragen, um voran und vor allem bergauf zu kommen. Ohne Treten rühren sich die Motoren überhaupt nicht – andernfalls hätten wir es mit Elektromopeds und nicht mit E-Bikes zu tun.

Start in der Höhe. Donnersbachwald liegt am östlichen Rand der steirischen Urlaubsregion Schladming-Dachstein und ist, was E-Biking betrifft, doch ihr Zentrum. Hier, in diesem 350-Einwohner-Ort mit rund 1000 Gästebetten, hatte Erich Reith (49) voriges Jahr eine Idee, deren Umsetzung sich mittlerweile auf die gesamte Tourismusregion erstreckt. Der Sporthändler und Hobby-Extremsportler und seine ebenfalls sehr sportliche Frau gehen gern in den Bergen wandern und laufen, haben aber nur wenig Zeit dafür. Also haben sie sich darauf verlegt, den Weg bis auf eine Höhe, in der die Wanderrouten dank der Aussicht auf die umliegenden Berge erst attraktiv werden, mit dem Fahrrad zurückzulegen. Vor allem der Rückweg ins Tal über die langweiligen Forststraßen verkürzt sich damit – zeitlich – auf einen Bruchteil.

Mit dem E-Bike, das für Reith nach einem schweren Skiunfall mit einem bösen Bruch im Knie ein hervorragendes Therapiegerät war, verkürzt sich auch der Hinweg. Und das nennt sich dann nach Reiths Idee „Bike & Hike“: Man miete unten im Tal ein Elektrorad – nach offizieller Zählung der Touristiker gibt es 250 davon in der Region – und fahre zu einer „Bike & Hike“-Station bei einer Almhütte. Die ersten paar hat Reith noch eigenhändig errichtet, mittlerweile sind es, mit Unterstützung des Partners Bosch eBike Systems, 24 geworden. Jeder Wirt hält Schlösser zum Absperren bereit, bei 20 Stationen kann man auch die Akkus kostenlos wieder volltanken. Angeblich schaffen die wiederaufladbaren Batterien ja – bei durchschnittlicher Belastung und ausreichender Mithilfe des Fahrers – 2000 Höhenmeter mit einer Ladung. Bis zur letzten Wattstunde sollte man die Kapazität aber nicht unbedingt ausreizen: E-Bikes wiegen rund zehn Kilo mehr als vergleichbare Modelle ohne Motor und Akku; um genau so viel schwerer tut man sich, wenn man ohne den elektrischen Rückenwind auskommen muss.


Zu schnelles Hinterrad. Wir starten selbstverständlich mit vollen Akkus, wie auch die Displays an den Lenkern anzeigen. Zum Aufwärmen (der Motoren) fahren wir von der Talstation der Riesnerbahn eine Zeitlang auf der Straße, bis wir auf einen spaßigen Trail entlang eines Baches hinauf zur Lärchkaralm abbiegen. Bergauffahren verlangt, wie bei jedem Fahrrad mit mehr als nur einem Gang, einen niedrigeren Gang zu wählen und, damit auch der Motor zusätzliche Kraft entwickelt, eine höhere Stufe: Drückt man einmal mit dem linken Daumen auf den „Plus“-Taster am Lenker, schaltet man zum Beispiel von Eco auf Tour um. Sport oder gar Turbo sollte man für anspruchsvolle bis extreme Situationen aufsparen, und zwar nicht nur deshalb, weil in diesen Modi die vom Bordcomputer errechnete restliche Reichweite rapide abfällt. Eine zu starke Motorunterstützung kann auch dazu führen, dass man nicht gefühlvoll genug anzutreten vermag und der störrische Drahtesel einem gewissermaßen unterm Hintern ausbüchst.

Diejenigen unter uns, die sich ein E-Fatbike ausgeborgt haben, fühlen sich in jeder Situation sicherer: Die breiten und etwas weniger stark aufgepumpten Reifen entwickeln eine enorme Bodenhaftung und rollen gutmütig über kleinere Hindernisse wie Wurzeln und Steine hinweg. Auf diese Weise werden kleine Fahrfehler einfach geschluckt. Der Nachteil, den diese Fahrräder buchstäblich mit sich herumschleppen, spielt dank des Motorantriebs keine Rolle: Sie sind deutlich schwerer als Bikes mit schmäleren Rädern. Das liegt auch, aber nicht nur an den dickeren Felgen und Reifen. Mit Ausnahme des Sattels und des Lenkers sind so gut wie alle Bestandteile breiter und schwerer als sonst.


Naturrodelbahn bergwärts. Die Lärchkaralm liegt, inmitten saftig grüner Wiesen und von Wäldern umgeben, knapp unterhalb von 1300 Meter Seehöhe. Das ergibt einen Anstieg von bisher nur 300 Metern. Da geht sich nach der Fahrt hinunter ins Tal locker noch eine zweite der 25 beschilderten Mountainbiketouren in der Region aus. Zum Beispiel eine im Sommer nur schwer als solche erkennbare Naturrodelbahn hinauf zum Mörsbachwirt (ebenfalls auf 1300 Höhenmetern), der übrigens einen köstlich milden Zirbenschnaps ausschenkt. Nur ein kastenförmiger Transportschlitten, der am Wegesrand im Wald abgestellt ist und mit dessen Hilfe im Winter die Rodeln nach der Abfahrt wieder hinaufgebracht werden, erinnert an das Vergnügen im Schnee. Die Routen in der Region sind mit dem Waldeigentümer – fast überall hier der Pharma-Industrielle Baron Baumbach – und den Jägern abgesprochen und in der Zeit von Juni bis Mitte September freigegeben. „Wir haben ein gutes Einvernehmen mit den Jägern“, sagt Erich Reith, um scherzend hinzuzufügen: „Es hat noch keiner geschossen!“


Schneelanzen ohne Schnee. Vom Mörsbachwirt geht es noch weiter hinauf bis zur Oxenalm (1500 Meter). In diesem Fall über eine Skipiste, deren Zweck dank der hoch in die Luft ragenden Schneelanzen auch ohne Schnee auf einen Blick ersichtlich ist. Erst auf den zweiten Blick, nämlich von oben hinunter, fällt auf, wie stark das Gefälle ist – wieder sind es die Fatbiker unter uns, die entspannter drauflosfahren. Ohne Motor hätte man die Steilheit unterwegs hinauf daran gemerkt, dass man sehr bald hätte schieben müssen.

Oxenalm-Wirt Christoph Gürtler drückt die hohen Anforderungen, die Radfahrer ohne Motor bis oben bewältigen müssen, mit einer Portion Ironie so aus: „Früher sind auch welche mit dem Mountainbike gekommen, aber die haben ein Sauerstoffzelt gebraucht.“ Gürtler registriert dank Elektrifizierung des Mountainbikens mehr Gäste, und das passt zum Trend in der Region: Die Sommersaison bringt zwar noch immer weniger Umsatz ein als der Winter, aber der Zuwachs an Gästen ist in der warmen Jahreszeit stärker als in der kalten. Heuer hat Erich Reith, der ein Sportgeschäft in Wörschach führt, erstmals auch die Winterfiliale bei der Riesnerbahn auch sommers geöffnet. Noch wirkt der große Parkplatz davor allerdings ein bisschen überdimensioniert.

Zurück auf die Oxenalm: Wollten wir nicht „Bike & Hike“ erleben, nach und vor dem Radfahren also eine gediegene Wanderung machen (dazu haben wir auch Wanderschuhe angezogen)? Vielleicht auf den Sonntagskarspitz mit seinen 1999 Metern, der zum Greifen nah scheint? Oder auf den Riesnerkrispen (1922 Meter), um danach auf der Riesneralm auf 1820 Metern über dem Meeresspiegel ein, ernsthaft: „Gipfelbad“ (beheizt!) zu nehmen? Das müssen wir dieses Mal auslassen: Kaum sind wir auf der Oxenalm eingetroffen, geht ein Wolkenbruch nieder, der uns längere Zeit in die Hütte zwingt. Und danach bleibt nur noch die schnelle Abfahrt ins Tal.

Erich Reith hat indessen sein „Baby“ übergeben, an eine Firma in Schladming, die den Fahrradtourismus in der Region weiterentwickeln soll. Er persönlich steckt schon mitten im nächsten Projekt: Er gönnt sich zum 50. Geburtstag eine Teilnahme am mehrtägigen Extremradrennen Race Around Austria.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2017)

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