Das größte Austernriff der Welt liegt vor den Toren Wiens

Das riesige Austernriff: Eine Multi-Media-Show taucht die Fossilien in buntes Licht.
Das riesige Austernriff: Eine Multi-Media-Show taucht die Fossilien in buntes Licht.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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15.000 Riesenaustern, die größte fossile Perle der Welt und Haifischzähne zum Selbersuchen: Im Weinviertel kann man als Besucher in der Fossilienwelt Stetten jene Zeit erkunden, in der das Korneuburger Becken ein tropischer Lebensraum mit einer erstaunlichen Tier- und Pflanzenwelt war.

Man darf sich von der wenig einladenden Umgebung, die so gar nicht auf ein nettes Ausflugsziel hindeutet, nicht abschrecken lassen: Ehe man nämlich das Ziel erreicht, geht es erst einmal vorbei an großen Lagerhallen, fast fensterlos die meisten. Die Abbiegung könnte man auch leicht verpassen, wäre da nicht der auffällige, orange Aussichtsturm in Schneckenform auf dem Hügel, der als Orientierung dient.

Für die Lage hinter den unhübschen Lagerhallen (aber großes Plus: sehr nah bei Wien) kann die Fossilienwelt Stetten natürlich nichts, ist es nun einmal so, dass genau hier ganz erstaunliche Fossilien gefunden wurden, darunter – die größte Attraktion der Fossilienwelt – das größte fossile Austernriff der Welt.

Für einen Ort wie die Fossilienwelt, die unvorstellbar alte Dinge zeigt, ist dieser (laut Eigendefinition) Themenpark eine recht junge Geschichte: Erst 2009 wurde die Fossilienwelt im Weinviertel eröffnet, nachdem hier auf dem Teiritzberg die bisher größte je in Österreich durchgeführte paläontologische Grabung stattgefunden hatte.

650 verschiedene Tier- und Pflanzenarten haben die Wissenschaftler, die hier tätig waren (und es noch immer sind), dank der Funde nachweisen können. Von all dem erfährt man als Besucher im Zuge einer Führung, die zwar nicht verpflichtend ist, sich aber empfiehlt: Denn die erwähnten Riesenaustern in ihrem Riff bekommt man nur während der Führungen (die mehrmals täglich angeboten werden und kostenlos sind) zu sehen.

Zeitleiste. Los geht es zunächst im Freien. Auf dem (derzeit hübsch blühenden) Hügel hinter dem Besucherzentrum wird die Erdgeschichte anhand einer 46 Meter langen Zeitleiste quasi im Schnelldurchlauf nachgezeichnet. Die Menschen, das wird am Ende dieser kleinen Einführung, die die Vermittlerin recht kurzweilig und auch für Kinder interessant gestaltet, deutlich, spielen in der Erdgeschichte nur eine enorm kurze Zeit eine Rolle: Nehmen sie doch auf den 46 Metern nur 1,8 Zentimeter ein.

Entlang dieser Zeitleiste bietet sich auch zum ersten Mal die Möglichkeit, die kostenlose Urmeer-App auszuprobieren, mit der die Fossilienwelt den Besuch – vor allem, aber nicht nur für Kinder – anschaulicher, spannender und moderner machen will. Wer die App auf seinem Smartphone installiert hat (Tipp: Schon daheim im WLAN downloaden), kann sich an der Kassa eine 3-D-Brille ausleihen.

Brille fürs Handy. Diese Brille setzt man aber anders als im Kino nicht selbst auf, man steckt sie – das wird während der Führung erklärt – auf sein Smartphone, das so zum tragbaren 3-D-Minikino wird. Immer wieder stößt man auf dem Gelände auf sogenannte Erlebnispunkte (QR-Codes), an die man kurz sein Smartphone hält: Schon sieht man durch die Brille auf seinem Handy Dinos, die scheinbar um einen rundherumlaufen, oder Krebse, die auf sandigem Boden links und rechts von einem spazieren. Immer wieder bieten diese kleinen Virtual-Reality-Szenen so ein nettes zusätzliches Erlebnis (einmal sind es Alligatoren, derer es im Urmeer im Korneuburger Becken vor 16,5 Mio. Jahren viele gab, oder auch Haie).

Für Kenner von Virtual-Reality-Spielen ist dieses Zusatzangebot, das mitunter ein wenig von der Führung ablenkt, wahrscheinlich nicht besonders spektakulär, für alle anderen dafür sehr. (Wem das zu modern ist: Auf dem Gelände gibt es auch zahlreiche klassische Infotafeln, auch mit Quizfragen zur Materie für Kinder.)

Zum Teil findet die Führung auch in Innenräumen statt, in denen mehrere kurze Filme Einblick in die Arbeit der Forscher auf dem Gelände geben. Aber auch zeigen, wie es vor 16,5 Mio. Jahren im Korneuburger Becken ausgesehen hat: Die tropische Landschaft mit Sümpfen und dem Meer bot heute so exotischen Tieren wie Haien, Seekühen, Nashörnern oder auch Delfinen Lebensraum (und natürlich etlichen ausgestorbenen Arten). Eine Liste an einer Wand mit allen – lateinischen – Namen der hier gefundenen Tier- und Pflanzenarten zeigt, wie vielfältig das Leben hier einst gewesen ist.

Am Ende der Tour gelangen die Besucher schließlich zum Höhepunkt: dem Austernriff in einer großen Halle. 15.000 Riesenaustern sind hier in dem dunklen Raum auf dem Riff zu sehen, die ein eindrucksvolles Bild ergeben. Die Besucher stellen sich an dem Geländer auf, dann wird es noch dunkler (kleine Kinder sollte man da wohl vorwarnen!), und eine Multimediashow beginnt, die auf die Austern projiziert wird und in der das Leben zur Zeit des Urmeers in Animationen noch einmal nacherzählt wird. Durch die unterschiedlichen Lichtprojekten und Tiere, die über die Austern zu schwimmen oder zu wandern scheinen, wirkt es fast so, als wären die fossilen Riesenaustern noch lebendig.

Sandbucht. Zum Abschluss geht es noch durch einen kleinen Schauraum, in dem einige Exponate zu sehen sind: darunter die weltgrößte fossile Riesenperle, die ebenfalls hier im Korneuburger Becken gefunden wurde, oder der Schädel eines Delfins, aber auch zahlreiche Schnecken- und Muschelfossilien sowie fossile Zähne von Haien.

Das Ende der Führung muss aber noch nicht das Ende des Besuchs in der Fossilienwelt sein. Ein kurzer Spaziergang über das Gelände führt zum eingangs erwähnten orangen Aussichtsturm, dessen Form der (ebenfalls hier in Stetten nachgewiesenen) Turmschnecke Turritella gradata nachempfunden ist. Oben hat man Ausblick bis zu den Leiser Bergen auf der einen, in Richtung Bisam- und Kahlenberg auf der anderen Seite. (Der Aussichtsturm kann übrigens auch ohne Besuch in der Fossilienwelt kostenlos bestiegen werden.)

Gleich darunter liegt ein ziemlich netter Spielplatz mit sehr langer Rutsche für die Kinder. Noch spektakulärer für Kinder ist freilich die Sandbucht, in der man nach (echten!) fossilen Haifischzähnen und Perlen im Sand graben kann. Das kostet freilich extra (siehe Infobox), dafür macht das Suchen – Siebe und Schaufeln gibt es leihweise – wirklich Spaß. Zumal die Chancen, hier tatsächlich mit einem Zahn oder einer Perle heimzugehen, groß sind. Sollte man nichts finden, darf man sich etwas aus der Schatzkiste aussuchen. Da man aber die jungen Besucher natürlich nicht enttäuschen will, ist die Sandbucht in der Regel sehr gut mit fossilen Schätzen ausgestattet.

Fossilien wurden in der Gegend übrigens schon vor Langem gefunden. Systematisch dokumentiert wurden diese Funde aber lang nicht. Erst 1975 begannen die „Freunde der Mineralien und Fossilien“ mit der Dokumentation. Ab 2008 – und nach langen Vorarbeiten – begannen die Ausgrabungsarbeiten am Austernriff. In 15.000 Arbeitsstunden wurde das Riff freigelegt, dabei wurden auch noch zahlreiche andere Muschel- und Schneckenarten entdeckt. Beteiligt waren neben 40 Wissenschaftlern auch 200 freiwillige Helfer.

Ab 2009 war das Austernriff dann für Besucher zugängig, heute ist es mit den zusätzlichen Angeboten, dem Café und dem Shop ein sehr nettes Ausflugsziel. Hinter den Lagerhallen. ?

Fossilienwelt

Die Fossilienwelt Weinviertel (Austernplatz 1, 2100 Stetten) bei Korneuburg hat von Mitte April bis 31. Oktober geöffnet: von Di bis So: von zehn bis 18 Uhr, Montag: Ruhetag.

Preise: Erwachsene: 12,50 €, Kinder bis zu 16 Jahren: freier Eintritt. Im Preis inkludiert ist eine (freiwillige) Führung (ca. 75 Min.) Das Graben in der Sandbucht nach Perlen und fossilen Haifischzähnen kostet pro halber Stunde 6,50 € für Erwachsene und 4,50 € für Kinder (Familienkarte für zwei Erwachsene und drei Kinder: 15 €).

Mehr Infos: www.fossilienwelt.at oder 02262/624 09

15.000

2009

Zahlen

fossile Riesenaustern wurden im Zuge der wissenschaftlichen Arbeiten in Steten freigelegt – damit ist es das größte fossile Austernriff der Welt.

wurde die Fossilienwelt eröffnet. Seit 1987 wurden die Funde in der Gegend systematisch dokumentiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2017)

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