Schweigen bis der Anwalt kommt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wer festgenommen wird, hat das Recht auf einen Anwalt. Die Durchsetzung dieses Rechts stand zuletzt auf wackligen Beinen. Doch neue Spielregeln bewähren sich.

Wien. „Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. . .“ Und so weiter. Man kennt diese Belehrung aus US-Krimis. Gültig ist sie dem Grunde nach auch in der österreichischen Wirklichkeit. Allerdings hat das Beiziehen eines Anwalts zum ersten Verhör zuletzt nicht besonders gut funktioniert. Seit der Gesetzgeber die Spielregeln präzisiert hat, also seit Beginn dieses Jahres, läuft es besser.

Voriges Jahr gab es bundesweit 409 telefonische Kontaktaufnahmen zwischen Verdächtigen bzw. Festgenommenen und Anwälten, Monatsdurchschnitt: 30 Anrufe. Die Anwälte wurden vom „Rechtsanwaltlichen Bereitschaftsdienst“ vermittelt. Hingegen gab es allein von Jänner bis Oktober dieses Jahres schon 1206 Kontaktaufnahmen (Monatsdurchschnitt: 120 Anrufe). „Seit Einrichtung des neuen Bereitschaftsdienstes mit 1. Jänner 2017 kam es zu einer Vervierfachung der telefonischen Nachfrage“, erklärten am Mittwoch Justizressort-Sektionschef Christian Pilnacek und Anwälte-Präsident Rupert Wolff vor Journalisten. Die meisten Anrufe kamen übrigens aus Wien, Niederösterreich und Oberösterreich.

Verbesserung der gesetzlichen Basis

Die Betonung lag auf dem Wörtchen „neu“. Denn ja, ein „anwaltlicher Journaldienst“ bzw. ein „Verteidigernotruf“, wie man dies früher nannte, wurde bereits 2008 eingeführt. So richtig überzeugend funktionierte dieser aber nicht. Anfänglich schob die Strafverteidiger-Vereinigung die Schuld auf die Polizei. Und übte harsche Kritik: „Wir haben ein veritables Problem mit dem Verhalten des Polizeiapparates“, wetterte der damalige Strafverteidiger-Sprecher Richard Soyer. Bei der Polizei wies man alle Schuld von sich. Vorwürfe, wonach man bei frisch festgenommenen Verdächtigen im ersten Verhör einen Überrumpelungseffekt erzielen wolle, um die Aufklärung voranzutreiben, wurden zurückgewiesen.

Es sollte also noch rund ein Jahrzehnt dauern, bis der Gesetzgeber nachbesserte. Wer nun festgenommen wird, hat eine Art Garantie, jedenfalls eine präziser als früher formulierte gesetzliche Absicherung, die ihm den Kontakt mit einem „Verteidiger in Bereitschaft“ ermöglicht. Und zwar solange, bis ein Gericht über die Verhängung der U-Haft entscheidet. Dies muss in der Regel binnen 48 Stunden geschehen.

Und ja, die Polizei muss den Verdächtigen über seine Rechte informieren. Der ebenfalls aus Krimis bekannte Satz „Ohne meinen Anwalt sage ich gar nichts“ hat seit Geltung des neuen Gesetzes also mehr praktische Bedeutung.

Nummer für den Handyspeicher

„Es kann uns alle treffen“, unkte Anwälte-Präsident Wolff, da ja auch eine ungerechtfertigte Festnahme denkbar sei. Insofern sollte auch jeder die kostenfreie Telefonnummer der Anwälte-Hotline, 0800 376 386, im Handy-Speicher mit sich herumtragen. In ganz Österreich nehmen jeden Tag 18 dafür eingeteilte Anwälte die bei der Hotline eingehenden Anrufe entgegen.

Von dem Service umfasst ist ein erstes kostenfreies Telefonat. Der Festgenommene kann also gleich am Wachzimmer verlangen, einen Anwalt anrufen zu dürfen. Dieses erste Telefonat ist kostenlos. Fährt der Anwalt ins Wachzimmer (freilich ist auch das Teil des Angebots), wird ein Stundensatz von 120 Euro, zuzüglich Umsatzsteuer, fällig. Kann sich der Verdächtige diese Leistungen nicht leisten, kommt das Justizressort für die Kosten auf. Dafür hat es ein Jahresbudget von 990.000 Euro.

Vor der U-Haft wird es brenzlig

Interessant ist: Am häufigsten schreiten die herbeigerufenen Anwälte bei den Gerichten ein, nicht, wie man meinen könnte, bei der Polizei – dann nämlich, wenn es darum geht, ob U-Haft verhängt wird. Das ist für viele Beschuldigte der kritische Punkt, an dem sie offenbar nicht weiter auf Rechtsbeistand verzichten wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2017)

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