„Häftlinge mit dem Koran aufklären“

Als Seelsorger im Gefängnis hat Ramazan Demir auch mit radikalen Muslimen zu tun.
Als Seelsorger im Gefängnis hat Ramazan Demir auch mit radikalen Muslimen zu tun.(c) Lukas Beck
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Als muslimischer Gefängnisseelsorger hat Ramazan Demir regelmäßig Kontakt mit Extremisten – darüber hat er ein Buch geschrieben. Er sieht in der Beschäftigung mit Religion einen Beitrag zur Deradikalisierung und fordert dafür mehr Unterstützung vom Staat.

In Ihrem Buch stellen Sie die Frage: Sind Extremisten Menschen wie du und ich? Und Ihre Antwort lautet: Ja, definitiv. Das werden wohl viele Leser anders sehen.

Ramazan Demir:
Natürlich ist das ein provokanter Satz. Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, nur ihn herauszunehmen und alles andere auszublenden, weil dann kann er missverstanden werden. Diese Menschen waren vorher nicht radikal. Irgendetwas hat sie erst dazu gebracht. Ein Jugendlicher, etwa, der vom Vater keine Anerkennung, keine Geborgenheit bekommt, hat genau das auf Social Media gesucht – und gefunden. Auf Facebook geriet er in die Fänge eines Hasspredigers. Wenn Menschen Anerkennung suchen, daneben aber vielleicht ausgegrenzt werden von der Gesellschaft, denke ich, dass die Faktoren dieser Radikalisierung uns alle treffen können.

Es gibt aber genügend andere, die deswegen nicht zu Extremisten werden.

Mit ein Grund dafür ist, dass in vielen muslimischen Ländern Kriege herrschen. Hassprediger locken damit, dass man die muslimischen Geschwister nicht im Stich lassen dürfe. Der Islam wird hier für politische Zwecke missbraucht. Einige der Rückkehrer, die ich im Gefängnis betreut habe, sagen auch, dass sie in die Irre geführt wurden. Manche bitten Allah um Vergebung. Aber es gibt auch einige, die sagen, dass sie, wenn sie wieder draußen sind, weiterkämpfen wollen. Das sind vor allem die, die noch nicht im Kriegsgebiet waren, sondern an der Grenze gestoppt wurden.

Haben die Erfahrungen, die die Menschen in Syrien gemacht haben, eher eine Läuterung gebracht oder wurden sie dadurch erst recht zu Radikalismus angestachelt?

Die meisten wissen, wie schlimm das war, die sind sogar traumatisiert zurückgekommen. Aber es gibt einige, die das nicht eingesehen haben. Die wollen, wenn sie aus dem Gefängnis draußen sind, wieder nach Syrien – nur jetzt, wo der IS kaum mehr Gebiet hat, besteht die Gefahr, dass sie das in Europa ausleben. Einige Insassen sagen, Europa wird brennen. Und manche sagen zu mir: Du Ungläubiger, du weißt ja, was man mit Ungläubigen macht.

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