Wie sich der Orient in Österreich behauptet

Präsident Bert Fragner (l.) und Geschäftsführer Siegfried Haas von der Orient-Gesellschaft. Benannt wurde die Institution nach dem Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, dessen Porträt hier ebenfalls zu sehen ist.
Präsident Bert Fragner (l.) und Geschäftsführer Siegfried Haas von der Orient-Gesellschaft. Benannt wurde die Institution nach dem Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, dessen Porträt hier ebenfalls zu sehen ist.(c) Katharina F.-Roßboth
  • Drucken

60 Jahre feiert heuer die Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall. Sie kämpft mit Geldproblemen, hält aber an ihrem Kernangebot der „gehobenen Erwachsenenbildung“ fest.

Wien. Just im Palais Pálffy, ehemals im Besitz der österreichisch-ungarischen Adelsfamilie, resümierte im November 1961 Heinrich Benedikt seinen Vortrag mit dem Satz: „Das ungarische Erbe hat also die Türken den Österreichern auf den Hals gehetzt.“ Zuvor referierte der Jurist und Historiker über die „Orient-Politik Österreichs“, und hier insbesondere über das gegenseitige Geschichtsbild der Habsburger und Osmanen. Im Wiener Palais Pálffy war Benedikts Vortrag nur ein Programmpunkt: „Österreich und die islamischen Länder“ hieß das Symposium, und zwei Tage lang diskutierte man über Vergangenheit und Zukunft des sogenannten Orients – mit Bezug auf Österreich.

Erst drei Jahre alt war zu dem Zeitpunkt der Veranstalter, die Hammer-Purgstall-Gesellschaft, benannt nach dem österreichischen Orientalisten, der diesen Wissenschaftszweig entscheidend mitgeprägt und ein umfangreiches Œuvre hinterlassen hat. Heuer feiert die mittlerweile umbenannte Österreichische Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall (ÖOG) ihren 60. Geburtstag. Und angesichts der politisch-kulturellen Umbrüche der vergangenen Jahre im arabisch-islamischen Raum kann die Gesellschaft zunächst einmal feststellen: Die Fragestellungen des Symposiums von vor knapp sechs Jahrzehnten haben von ihrer Aktualität kaum etwas eingebüßt.

„Wenn nichts über den Islam vermittelt wird“, sagt Siegfried Haas, „wenn die Orientalistik unterversorgt wird, dann darf man sich nicht wundern, wenn so viele Vorurteile, Fehlurteile und Falschinformationen in der Bevölkerung vorhanden sind.“ Als die Hauptaufgabe der Orient-Gesellschaft sieht es der Geschäftsführer Haas folglich an, aufzuklären, zu informieren, „gehobene Erwachsenenbildungsarbeit“ zu leisten.

„Orient-Akademie ist defizitär“

Die Vorstellung des Orients, die Betreuung von Studierenden aus diesem Raum und Sprachkurse – auf diesen drei Säulen basiert die Arbeit der ÖOG seit ihrer Gründung, wiewohl sich die Gewichtung in den vergangenen Jahrzehnten verschoben hat – nicht immer zum Wohlgefallen der Gesellschaft. Zum einen ist das Stipendienprogramm für Studenten aus dem Orientraum aus finanziellen Gründen vor mehr als zehn Jahren ausgelaufen. Auch die in wissenschaftlichen Kreisen renommierte Fachzeitschrift der ÖOG, „Bustan“, habe keine allzu lange Lebensdauer gehabt, bedauert Haas.

„Die Orient-Akademie an sich ist defizitär“, sagt der Geschäftsführer, „wir verlassen uns nicht mehr auf staatliche Förderungen.“ Finanzielle Zuschüsse vom Bund kommen nur über die Austrian Development Agency, sie würden allenfalls ein Drittel der gesamten Mittel ausmachen. Das Angebot der Orient-Akademie werde daher über Deutschkurse finanziert, man könne sich dadurch gerade über Wasser halten. Mit Blick auf die neue Regierung sagt Haas: „Der Trend in den letzten Jahren ging dahin, keine NGOs zu fördern, sondern diese Tätigkeiten selbst in den Ministerien durchzuführen.“ Dabei könne gerade die ÖOG lang gepflegte Kontakte und Erfahrung im Orientraum, aber auch in zentralasiatischen und kaukasischen Ländern vorweisen. Mit den Universitäten gebe es jedenfalls eine enge Zusammenarbeit, künftig wolle man sich auch mehr an Schulen richten. Die Präsenz Österreichs im Nahen Osten hat Altkanzler Bruno Kreisky zwar mitgeprägt, aber er war bekanntlich nicht der Erste. Ein weites Netz an Konsulaten im sogenannten Orient hatte Österreich bereits im 19. Jahrhundert, die K. k. Akademie für Orientalische Sprachen ließ Kaiserin Maria Theresia 1754 in Wien gründen. Dieser Tradition sieht sich die Orient-Akademie verpflichtet – so bedauert der Iranist Bert Fragner, Präsident der ÖOG, den Wegfall der Stipendienprogramme besonders: Österreich hätte sich durch diese Studenten Freunde in vielen Ländern gemacht, die vor allem Wien emotional verbunden geblieben seien. „Einerseits gefallen einem solche Programme, andererseits, wenn es um Geld geht, werden sie leichtfertig als Luxus abgetan.“ Eine Art „kultureller Schizophrenie“, sagt Fragner.

Kurdisch und Persisch gefragt

Es war der Kontakt über die Einzelpersonen, die kulturellen Beziehungen zwischen dem Institut und ihren Gästen, die das Konzept der Orient-Gesellschaft ursprünglich geprägt haben, sagt Fragner. Heute ist die Stipendienvergabe institutionalisiert, auch in den Partnerländern, das entspreche zwar dem Zeitgeist, meint Fragner, reiche aber für nachhaltige Beziehungen nicht aus. „Wir hatten Studierende“, sagt Haas dazu, „die mit dem politischen System in ihrem Land nicht zurechtkamen. In Österreich hatten sie eine Chance. Jetzt bestimmen die Länder, wer ins Ausland gehen kann, Länder mit nicht sehr demokratischen Einrichtungen.“

In Wien selbst bleibt das Interesse für Deutschkurse, aber auch für die Sprachkurse der Orient-Akademie bestehen, abhängig jedoch von der „politischen Großwetterlage“, wie Haas sagt. Persisch sei seit der zögerlichen Öffnung des Iran wieder gefragt, durch die Zunahme der Flüchtlinge auch Syrisch-Arabisch. Das Interesse an den Türkischkursen hingegen ebbe ab, während die Nachfrage für Kurdisch gestiegen sei. Ab nächstem Semester beginnen die ersten Kurse.

AUF EINEN BLICK

Die Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall(ÖOG) wurde 1958 in Wien gegründet und hat Zweigstellen in Graz und Innsbruck. Benannt ist die Gesellschaft nach dem österreichischen Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall. Über die Orient-Akademie vermittelt die ÖOG Veranstaltungen und Kurse über den Orient, auch in Zusammenarbeit mit Universitäten. Gleichzeitig bietet die Gesellschaft Deutschkurse an (über den Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten), diese bilden mittlerweile das finanzielle Fundament der ÖOG.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.