Terrorprozess in Wien: "War meine Absicht, Polizisten zu töten"

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Symbolbild. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Ein 22-jähriger Tschetschene erklärt vor Gericht, er sei nur durch eine Festnahme daran gehindert worden, einen blutigen Anschlag auf eine Polizeiinspektion in St. Pölten zu verüben. Die Strafen fallen dennoch mild aus.

Wien. Die Handfesseln werden ihm auch während der Verhandlung nicht abgenommen. Flankiert von zwei schwer bewaffneten, schwarz vermummten Justizwachebeamten sitzt Saijchan O. (22) am Mittwoch auf der Anklagebank im Straflandesgericht Wien. Der in Österreich wegen dreifachen Raubes vorbestrafte Tschetschenien-Flüchtling gibt nun vor einer teils staunenden, teils entsetzten Prozessöffentlichkeit freimütig zu, dass er im Sommer 2015 einen Terroranschlag auf eine Polizeiinspektion in St. Pölten verüben wollte.

Gemeinsam mit einem weiteren Flüchtling aus Tschetschenien, S. (19), und einem zum Islam konvertierten Österreicher mit Migrationshintergrund, R. (19), hat O. laut Anklage vorgehabt (O. bekennt sich schuldig, die beiden anderen teilschuldig), einen Waffenhändler in St. Pölten zu überfallen.

Mit den erbeuteten Waffen, wollte das Trio möglichst viele Polizeibeamte erschießen, um dann im Gefecht mit diesen selbst getötet zu werden.

S. erklärt nun dem Richter, der Anschlag sei unterblieben, „weil wir nicht genau wussten, ob wir dann in den Himmel oder in die Hölle kommen.“ Laut Staatsanwalt habe sich damals ein anonymer Hinweis an die Polizei medial verbreitet, weshalb das Trio gebremst worden sei. S. sagt weiter, er und seine Freunde hätten als Splittergruppe der Terrormiliz IS gehandelt. Sie seien von einem – bisher nicht ausgeforschten – IS-Mann, der sich „Abu Nuuh“ genannt habe, auch aufgestachelt worden, Frauen und Kinder in Österreich zu töten.

O. verblüfft mit offen zur Schau getragener Kaltblütigkeit. Er erklärt, dass lediglich seine Festnahme (diese war wegen der Raubüberfälle erfolgt, die Terrorpläne kamen später zutage) ein Blutbad verhindert habe: „Ich wollte es machen. Alle erschießen. Und selber sterben.“ Richter Georg Allmayer: „Die Polizei hatte also Glück, denn wenn Sie nicht im Gefängnis gesessen wären, wären die Polizisten jetzt tot.“ O. ungerührt: „Genau. Es war meine Ansicht.“

Richter: „Töten, dann der Held sein“

Auch der 19-jährige Österreicher, der in einer Moschee in Wien-Meidling zum Islam konvertiert ist, erzählt dem Richter, dass S. und er bereits vor dem Waffengeschäft gestanden seien. Sie seien aber „nach zwei Minuten“ wieder weggegangen und hätten es sich anders überlegt. Auf die Richterfrage warum sie den Anschlag überhaupt durchführten wollten, sagt R.: „In der Hauptschule (in Wien-Simmering, Anm.) wurde ich immer von den Mitschülern verarscht, weil ich Österreicher bin. In meiner Schule waren überwiegend Ausländer. Ich wollte nach Syrien fahren. Ich hatte Depressionen. Ich wollte sterben.“ Der Richter ganz direkt: „Wenn man sich aufhängt oder von einer Brücke springt, stirbt man auch.“ R.: „Aber das ist im Islam verboten.“ Richter: „Wenn man sich umbringt, ist es tragisch. Wenn man nach Syrien fährt, möglichst viele Menschen erschießt und dabei selber stirbt, ist man der Held.“ R. mit dem Versuch einer Beruhigung: Er und die anderen hätten gar nicht vorgehabt „St. Pölten unter die Scharia zu stellen“. Dieses nachträgliche Versprechen des Angeklagten entlockt dem Richter allerdings keine erleichterte Bemerkung.

Zusatzstrafe: sechs Monate Haft

Angeklagt ist auch eine 18-Jährige. Sie sitzt schwarz verschleiert auf der Anklagebank. Ihr Chador lässt nur einen Ausschnitt ihres Gesichts frei. Der Jugendlichen wird vorgeworfen, R. bestärkt zu haben, in eine IS-Hochburg zu reisen. Die Angeklagte bestreitet dies. Das Gericht glaubt ihr nicht und verurteilt sie zu drei Monaten bedingter Haft.

Die drei jungen Männer schlagen am Schluss des Prozesses ganz neue Töne an. Sie distanzieren sich vom IS und entschuldigen sich. O. leidet laut Gutachten an einer Persönlichkeitsstörung.

Alle drei bekommen (nicht rechtskräftige) milde Strafen: O. erhält sechs Monate zusätzliche Haft – zu den 33 Monaten, die er für die Raubüberfälle bereits bekommen hat. Zudem wird er in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. R. bekommt 26 Monate Haft, S. 15 Monate teilbedingte Haft.

AUF EINEN BLICK

Als mutmaßlicher Terrorist steht der 18-jährige Lorenz K. ab dem 4. April in Wien vor Gericht. Er soll einen Sprengstoffanschlag auf einen Weihnachtsmarkt im deutschen Ludwigshafen geplant haben. Auch einen Anschlag auf die Wiener U-Bahn soll er überlegt haben. Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte den Fall K. Anfang 2017 in großem Stil öffentlich gemacht. K. hatte Kontakt zu dem deutschen Islamisten Kevin T. (22). Und in dessen Mobiltelefonspeicher fanden Ermittler fast 500 Protokolle von Chats mit dem 19-jährigen R. So kam man dem nun angeklagten Trio auf die Spur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2018)

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