Stadtflucht

Ein Winterpark mit Retrocharme

Weite Sicht, spektakuläre Loipen, kleine Lifte und freie Hänge: ein Winter, wie er damals war.
Weite Sicht, spektakuläre Loipen, kleine Lifte und freie Hänge: ein Winter, wie er damals war.(c) WTG
  • Drucken

In neun Kehren schlängelt sich die Mautstraße vom Wolfgangsee hinauf auf die Postalm. Oben tut sich ein Winterwunderland für die ganze Familie auf – mit hohem Entschleunigungsfaktor.

Tatak, tatak, tatak: Es ist dieses vertraute Klacken des Liftbügels bei den Stützen des Schlepplifts, das einen sofort in die Kindheit zurückversetzt. Ein Geräusch, das einst zu jeder Fahrt auf den Berg dazugehörte. Damals hatten Sessellifte noch keine beheizten Sitzflächen und keine Schutzhauben. Der Schlepplift war schon Luxus – wir sind als Kinder noch viele Hänge hinaufgestapft. Auf der Postalm, einem weitläufigen Almgebiet zwischen dem Wolfgangsee und dem Lammertal, hat das Immergrößer, Immerschneller und Immerkomfortabler der internationalen Wintersportindustrie nicht Einzug gehalten. Das Klacken der Schleppliftbügel ist hier nicht in Vergessenheit geraten. Das Skigebiet hat etliche Modernisierungswellen einfach vorbeiziehen gesehen. Zum Glück! Gerade mal fünf Lifte – der Großteil davon Schlepplifte – hat das überschaubare Familienskigebiet mit dem angenehmen Retrocharme zu bieten. Dafür aber jede Menge Abfahrten abseits der Piste – im heurigen Winter sogar mit Tiefschnee bis zum Abwinken.


Zwei Fans als Retter. Dabei ist es ein Glück, dass es das Skigebiet auf der Postalm überhaupt noch gibt. Nach mehreren Besitzerwechseln und einer Insolvenz haben sich zwei Postalm-Fans, der Wiener Michael Proksch und sein Linzer Partner Linus Pilar, im vergangenen Sommer entschlossen, als Investoren diese Wintersportperle zu übernehmen. Die Lifte sind so, wie sie immer waren. Es gibt keine großen Hotels, keine Après-Ski-Discos und keine Schirmbars mit Helene-Fischer-Dauerbeschallung. Die Schneebar vor der Welser Hütte ist familiär und überschaubar. Man kann sich im Liegestuhl gemütlich in die Sonne setzen und den Ausblick auf den Zauberteppich genießen, wo die Nachwuchsskifahrer ihre Runden ziehen.

Schon die Anreise auf die Postalm ist ein Erlebnis. Die Mautstraße schlängelt sich von Strobl in neun Kehren auf 1200 Meter Seehöhe. Rechts der Bach, links die von dicken Eisschichten überzogenen Felswände, die schneebedeckten Bäume biegen sich bedrohlich weit über die Straße. Gut, wenn es nicht zuviel Gegenverkehr gibt. Auch von der Abtenauer Seite gelangt man über eine Mautstraße auf die Postalm.


Wie gemacht für Entschleunigung. Das weitläufige Almgebiet, das nach allen Seiten spektakuläre Ausblicke bietet, ist wie gemacht für winterliche Entschleunigung. Hier heroben kann jeder in der Familie das tun, was ihm Spaß macht. Die Pistenskifahrer finden ein kleines, aber umso feineres Skigebiet – wenn es auch nicht besonders steil ist.

Dafür geht es auf den Loipen ungewohnt ambitioniert zur Sache. Insgesamt 25 Kilometer werden gespurt, die langen Flachstücke haben eher Seltenheitswert. Die Steilabfahrt durch den Wald von der Panoramaloipe zur flachen Runde am Talgrund hat es in sich.

Immer wieder sieht man Spuren von verschreckten Läufern, die irgendwo im Schnee eingeschlagen haben.


Viel Tempo und viele Kurven. Die Loipe ist übrigens durchgehend für Klassiker und Skater gespurt. Nach der zauberhaften Runde am Talboden durch den Wald und über einsame Wiesen geht es wieder zügig nach oben. Wer die gesamten 25 Kilometer läuft, sollte schon Kondition und Ausdauer mitbringen. Zwischendurch gibt es mit der Huber Hütte oder der Wiesler Hütte – die, die angeblich die weltbesten Pofesen serviert – angenehme Rastplätze mit Hausmannskost und schönen Sonnenbankerln. Da fällt es schwer, die Skier wieder anzuschnallen und sportlich ambitioniert weiterzulaufen. Die Postalm verleitet zum Entspannen.

Die weiten Hänge im Postalmgebiet locken auch die Skitourengeher. Das Wieslerhorn (1603 m) ist ein idealer Einsteigergipfel – mit Blick über den Wolfgangsee. Auch der Labenberg (1642 m) oder der pyramidenförmige Pitschenberg (1720 m) eignen sich mit ihren eineinhalb- bis zweistündigen Anstiegen gut, um auszuprobieren, ob man die Pistenskier nicht einmal mit den Tourenskiern tauschen möchte.

Sanfte Steigung, weite Hänge.
Mit einer sanften Steigung geht es über weite Hänge auf den Gipfel. Für erfahrene Tourengeher ist der Braunedl (1894 m) ein lohnendes Ziel – besonders im Frühjahr. Auf dem weitläufigen Almgebiet ist viel Platz, um eigene Spuren zu ziehen. Deshalb ist die Postalm auch bei den Schneeschuhwanderern, Rodlern und Spaziergängern beliebt.

Nach Piste, Loipe oder freien Hängen kehrt man ein, sitzt gemütlich zusammen. Wer Glück hat, muss nicht mehr hinunter und kann oben übernachten. Die entschleunigte Winterwelt wartet in klaren Nächten mit einem Sensationssternenhimmel. Dass es gar nicht so wenige Stellen gibt, wo der Handyempfang nicht funktioniert, tut das Übrige dazu, um sich fern der Welt zu fühlen und einfach nur den Winter, wie er früher einmal war, zu genießen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ehrenamtliche Eisenbahnfreunde wie Reinhard Popp (li.) und Albert Malli erhalten den Betrieb der historischen Höllentalbahn als Museumsbahn am Leben.
Österreich

Auf schmalen Spuren durch das Höllental

Seit 40 Jahren sorgen Eisenbahnliebhaber dafür, dass die historische Höllentalbahn nach wie vor in Betrieb ist. Sonn- und feiertags kann man sich auf eine nostalgische Zugfahrt begeben, die nicht nur Zug-Auskennern Spaß macht.
Einer der Waggons, mit denen B&B Bluetrain etwa nach Gmunden oder nach Venedig fährt.
Österreich

Waggons aus aller Herren Länder

Das private Zugunternehmen B&B Bluetrain bietet Erlebnisfahrten an – im Luxuswaggon.
Auf Granitfelsen wurde die Burg Rappottenstein im Waldviertel einst erbaut – und später erweitert.
Österreich

Die Burg, in der nur die Stunden zählen

Mächtig thront die Burg Rappottenstein auf einem Felsen im Waldviertel. Die Tour durch die historisch gewachsene Festungsanlage führt nicht nur durch mehrere Bauepochen – sondern auch ins Verlies.
Blick vom Ufer des Ottensteiner Stausees auf die Ruine Lichtenfels.
Österreich

Im Tretboot oder Kanu über den Stausee

Malerisch, verwunschen – und ein Ziel für Wassersportler: der Stausee Ottenstein im Waldviertel.
Im ehemaligen Stadtgefängnis Tulln befindet sich seit 1990 – dem 100. Geburtstags des Malers – das Egon-Schiele- Museum.
Österreich

Auf den Spuren des jungen Egon Schiele

Wer Tulln besucht, kommt am berühmtesten Sohn der Stadt nicht vorbei: Das Schiele-Museum zeigt aktuell Natur- und Stadtlandschaften des Künstlers. Auf dem Bahnhof Tulln kann man die Wohnung seiner Kindheit besichtigen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.