Stadtflucht

Ein Bauernhof (fast) mitten in Wien

Ziegen im Stall besuchen: beim Bauernhof Nalela in der Wiener Lobau.
Ziegen im Stall besuchen: beim Bauernhof Nalela in der Wiener Lobau. (c) Clemens Fabry
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Bei Nalela in der Lobau lernen Kinder, aber auch Erwachsene den Umgang mit Bauernhoftieren. Und ebenso, wie man Osterpinze bäckt.

Ein echtes Großstadtkind hat schon Pandas gesehen, da konnte es selbst noch gar nicht gehen. Löwen auch, und Elefanten sowieso: Denn viele Wiener Jungeltern führen ihre Kinder schon von klein auf immer wieder in den Tiergarten Schönbrunn.

Ein echtes Großstadtkind hat dafür wahrscheinlich viele heimische Tierarten eher selten in echt erlebt: Hennen, Kühe oder Pferde wirken auf viele junge Wiener exotischer als Mähnenrobben oder Pinguine.

Denn: Wann kommt man als Wiener Familie schon auf einen Bauernhof? Noch dazu auf einen, den man auch einfach so besuchen kann, ohne dort gleich eine ganze Woche (teuren) Urlaub zu verbringen? Oft sind die Möglichkeiten näher, als man denkt. In der Lobau gibt es mit der „Kleinen Stadtfarm“ einen Verband mehrerer Initiativen, der sich der gemeinschaftlichen landwirtschaftlichen Bildungs- und Therapiearbeit verschrieben hat. Ein Mitglied dieses Verbandes ist Nalela – die Abkürzung steht für „Natur, Leben und Landwirtschaft“, und dahinter stecken wiederum zwei junge Frauen namens Jill und Miriam, die Großstadtkindern, deren Eltern, Schulklassen, aber auch Senioren mehr Nähe zur Natur vermitteln wollen.

Den kleinen Bauernhof kann man jederzeit besuchen, über die Anlage spazieren und Hennen, Kaninchen, Ziegen und Alpakas – nein, das sind keine heimischen Tiere – beobachten. Dass man hier noch in Wien ist, würde man gar nicht glauben. So ruhig ist es hier um das flache, bullerbürote Häuschen, dass es sich gleich richtig nach Landwirtschaft anfühlt. Dabei ist man doch erst vor einigen Minuten aus dem 93A gestiegen.

Besuch im Kräutergarten. Nalela und die anderen hier angesiedelten Initiativen übernahmen vor einigen Jahren den Grund, auf dem einst der legendäre Biohof Polzer angesiedelt war. Das Gelände verfiel nach dem Tod des ehemaligen Pächters. Die „Kleine Stadtfarm“ ist gerade dabei, das Gelände nach und nach wieder auf Vordermann zu bringen. Wer sich einen bestens gepflegten Bauernhof erwartet, ist hier falsch. Vieles ist hier noch improvisiert und ein bisschen chaotisch, aber durchaus sympathisch. Und das Wichtigste: Die Tiere haben hier ein feines Leben.

Meerschweinchennachwuchs im Stall.
Meerschweinchennachwuchs im Stall. (c) Clemens Fabry

Aber auch Besucher haben hier eine nette Zeit: vor allem, wenn man nicht nur über den Hof schlendert, sondern im Vorfeld auch einen der Workshops bucht. Kleiner Haken: Für einen Workshop sollte man mindestens zu zehnt sein, man muss also im Freundeskreis ein paar Leute zusammentrommeln, um gemeinsam ein paar Stunden auf dem Hof zu verbringen. Ausnahmen gibt es – wie am Ostermontag, wenn hier mehrmals am Tag gemeinsam Pinze gebacken wird, dafür braucht es keine Gruppenanmeldung. (Anmeldung erforderlich, siehe Website unten.)

Zur Auswahl stehen hier allerlei Angebote, am beliebtesten ist die Jausenwerkstatt. Wie bei den anderen Workshops wird man bei der Bushaltestelle abgeholt, gemeinsam werden in dem kleinen Häuschen – in dem vor langer Zeit geschlachtet wurde – Brote gebacken, Butter und Topfen hergestellt. Dabei erfahren die Teilnehmer nicht nur das Wichtigste über gesunde Ernährung, sondern auch über die Herkunft der Zutaten.

Eier einsammeln. Das mag für manche selbstverständlich klingen, aber wie Jill und Miriam erzählen, ist das Wissen, woraus die Grundnahrungsmittel bestehen, bei vielen Menschen nur sehr rudimentär vorhanden. Immer wieder passiert es, dass auf Fragen wie „Woraus wird Mehl gemacht?“ von den Kindern Antworten wie „Aus Salami!“ kommen.

Nachdem also der Teig geknetet, der Topfen verrührt ist – Kinder erfahren so spielerisch, was Molke ist und welche Produkte aus Milch hergestellt werden –, geht es aus auf den Hof: Je nach Saison werden im Kräutergarten gemeinsam Kräuter geerntet, im Hühnerstall Eier gesammelt und die Hühnerarten kennengelernt.

Natürlich werden auch die anderen Bauernhoftiere – von Kaninchen bis Ziege – besucht und gestreichelt. Rund zweieinhalb bis drei Stunden verbringt man so gemeinsam. Wer sich traut, darf auch eine Henne tragen – und fast alle wollen natürlich ins Gehege zu den Kaninchen und Meerschweinchen.

Die sehr geduldigen Damen Miriam und Jill versuchen, den Kindern auch den richtigen Umgang mit Tieren beizubringen, zeigen ihnen, wie man erkennt, wenn ein Tier genug hat und nicht mehr gestreichelt werden will, wann es sich wohlfühlt und so weiter.

Wegen der großen Nachfrage gibt es ab sofort auch jeden ersten Sonntag im Monat den „Stall am Sonntag“: Von 9.30 bis 10.30 Uhr kann jeder gegen eine freie Spende (die den Tieren zugutekommt) die Tiere besuchen, streicheln und füttern. In der Karwoche gibt es außerdem Ferienbetreuung für Kinder, bei der viel Zeit bei den Tieren verbracht, aber etwa auch Naturkosmetik selbst hergestellt wird.

Vorausplaner können sich auch schon den 5. Mai vormerken: Da findet die „Bunte Karawane“ statt, eine Wanderung mit mehreren Tierarten von Pferd über Alpaca bis Schaf, Picknick inklusive (Kosten: 50 Euro pro Kind).

Nalela, 22., Naufahrtweg 14. Tel.: 0681/818 508 86. Infos zu Öffnungszeiten und Programm: www.nalela.at.

Neues Buch

„Raus aus der Stadt: Die schönsten Familienausflüge rund um Wien“
von Mirjam Marits und Clemens Fabry ist soeben im Styria-Verlag erschienen. 20 Euro, 176 Seiten.

Der Artikel über Nalela ist in ähnlicher Form im Buch zu finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2018)

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