360 Grad Österreich

Surfweltcup in Podersdorf: Der See, die Partys, der Sport

Zehntausende kamen einst nach Podersdorf, jetzt nach Neusiedl. Weniger wegen des Sports, mehr wegen der Partys.
Zehntausende kamen einst nach Podersdorf, jetzt nach Neusiedl. Weniger wegen des Sports, mehr wegen der Partys.Niklas Stadler - Good Life Crew
  • Drucken

Seit 20 Jahren wird im Burgenland der Surfweltcup veranstaltet. Der Sport ist freilich nur Nebensache.

Der Dude schaut aus, wie aus einem Tourismusprospekt von Hawaii. Lange, blonde Haare, dunkle Sonnenbrille, ein muskulöser Körper in einem engen Neoprenanzug, über den er eine bunte Short angezogen hat. Sein Englisch hat den typisch breiten amerikanischen Akzent. Eigentlich könnten wir auf Maui sein, wenn es nicht so frisch wäre und der coole Dude auf seinem Surfboard stehen könnte. „Goddammit“, entfährt es ihm, als er zum dritten Mal ins Wasser fällt. Nein, das ist nicht Maui. Die Insel liegt etwa 12.000 Kilometer weiter westlich. Das hier ist Neusiedl am See im Burgenland, und der Surfertyp steht ganz offensichtlich zum ersten Mal auf einem Board.

„I'm just trying“, sagt er fast entschuldigend zu niemand Bestimmtem. Am Vormittag haben das etliche andere auch schon getan – mit nicht viel mehr Erfolg. Windsurfen ist keine leicht zu erlernende Sportart. Es sieht nur unglaublich leicht aus, wenn man den Profis draußen auf dem Neusiedler See zuschaut: Ein Salto vorwärts, ein Salto rückwärts, ein schier endloser Weitsprung, einer tanzt mit seinem Board regelrecht Walzer. „Da brauchst schon a paar Jahre“, kommentiert einer am Strand lakonisch.

Vielleicht könnte man heute bei den Profis dabei sein, wenn man sich beim ersten Treffen im Burgenland auf ein Board gestellt hätte. 1993 hat sich der harte Kern der österreichischen Surfercommunity nach der Winterpause halb organisiert am Neusiedler See zum Saisonauftakt getroffen, damals in Mörbisch. Im Jahr darauf in Podersdorf, diesmal schon mit deutlich mehr Teilnehmern. So ging es weiter, bis es 1997 etwa 6000 Surfer und Besucher waren und einige wenige das Potenzial sahen. 1998 veranstaltete man erstmals einen Surfweltcup in Podersdorf mit 20.000 Besuchern.

„Das ist schon beachtlich, was daraus geworden ist“, sagt Gerhard Polak (siehe auch Interview unten) mit Blick über das Areal in Neusiedl, wohin man jetzt übersiedelt ist. Stand reiht sich an Stand, der Kamerahersteller Canon hat eine Tribüne aufgebaut, auf der Besucher mit riesigen Teleobjektiven die Surfer draußen auf dem See fotografieren können. Volleyballplätze vermitteln Sommergefühle, es gibt ein Areal für Kinder und natürlich Pulled Pork. Der Weltcup ist im 20. Jahr seines Bestehens zu einem Volksfest geworden. Etwa 80.000 Besucher erwartet man an diesen vier Tagen (der Bewerb läuft bis 1. Mai, Programm siehe rechts).

Wobei sich die Motivation der Besucher in Neusiedl wenig von jener unterscheidet, die jedes Jahr noch mehr Menschenmassen zur Skiabfahrt nach Kitzbühel treibt: Es ist der Spaß. „Für die Partys kennt man uns auch noch auf Maui“, sagt Polak. Und deswegen reisen eben sogar Amis an und versuchen sich in nüchternen Momenten am Neusiedler See beim Windsurfen.

Partys auch für Oldies. Anfangs lockten die Veranstalter mit hohen Preisgeldern: Als der erste Weltcup im Freestyle-Windsurfen stattfand, zahlte man 50.000 Dollar. Wer wollte schon ins Burgenland kommen? Heuer sind es nur noch 15.000 Euro, die etwa 30 Teilnehmer hierhergebracht haben. Die Zehntausenden Zuschauer kommen freiwillig und zahlen auch noch ordentlich dafür.

Dafür bekommt man ein perfekt organisiertes Unterhaltungsprogramm geboten. Der Spaß begann heuer am Donnerstag mit der Buddy Party, zu der nur Surfer und Crew durften. Insgesamt dennoch etwa 400 Menschen. Handys und Kameras waren verboten, „weil ja die meisten einen normalen Job haben, und da braucht man dann nicht Fotos oder Videos der Party auf YouTube“, erklärt Gerhard Polak. Und deswegen breiten auch wir den Mantel des Schweigens über die Buddy Party.

Jeden Abend geht es mit gleich mehreren Partys weiter, wobei es eine sympathische Unterteilung gibt. Es gibt ein Areal für die Jungen, die etwa bis 23-Jährigen. Und ein Partyareal für die etwas Älteren, das gegen ein Uhr früh Schluss macht (zusammen kommen die Gruppen dann, wenn die Jungen Geld vom Papa holen). 20 Jahre Surfweltcup hat eben auch bei den Surfern der zweiten Generation Spuren hinterlassen. „Wir sind jetzt auch alle 40, 50 Jahre alt“, erklärt einer am Strand mit typischer bunter Badehose und Baseballkappe. Windsurfer fühlen sich teilweise bis ins hohe Alter jung – nicht immer ein schöner Anblick.

Hier in Neusiedl erfüllen die Besucher jedenfalls alle Surferklischees: Bunte Shorts bei den Männern, knappe Shirts bei den Damen, Sonnenbrille bei allen. Auch beim Rauchen setzt man auf die Tradition der amerikanischen Surfer der 1960er-Jahre: Teilweise marschiert man durch ganze Nebelschwaden mit dem typisch leicht beißenden Geruch von Haschisch.

Wenn das jetzt so klingt, als ginge es beim Worldcup in Neusiedl nur am Rande um den Sport, dann stimmt das. Seine Glanzzeiten hat das Windsurfen hinter sich, in den 1980er- bis Mitte der 1990er-Jahre musste jeder ein Surfbrett auf dem Dach haben, der in und cool sein wollte. Windsurfen war ein Synonym für Jugend, Freiheit, für ein Leben ohne Zwänge. Die damals Jungen wurden alt, und die heute Jungen wollen eher Kitesurfen. Wobei es wieder langsam einen Trend zurück zum Windsurfen gibt, „wie beim Skifahren und Snowboarden“, sagt Polak.

Bei den Bedingungen für das Windsurfen ist das Burgenland jedenfalls tatsächlich auf einer Ebene mit Maui und Sylt - „wenn der Wind weht“, wie einer Surfer meint. Derzeit sind die Bedingungen ideal, weil die Großwetterlage für Südwind sorgt. Zudem ist Neusiedl einer der wenigen Wettbewerbsorte, an denen man die Windsurfer dank der Gegebenheiten nahe am Ufer sehen kann. An diesem Abend schauen wirklich einige zu, wie sich die Surfer von einem Jetski auf Geschwindigkeit bringen lassen und dann abenteuerliche Einlagen auf ihren Boards zeigen. Der nette Amerikaner vom Vormittag versäumt das. Er liegt friedlich schlafend unter einem Baum.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.