Michaelergruft: Stadt der Toten droht der Untergang

(c) Clemens Fabry
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Die Pfarre schlägt Alarm: Die bedeutende Gruft unter der Wiener Michaelerkirche braucht Geld, um Barocksärge und Mumien vor dem Verfall zu retten. Denn wie lange es dieses Denkmal noch geben wird, ist fraglich.

WIEN. Ein Motor, ein paar Kabel und Schläuche – es ist nur eine Maschine, die in einem Lichthof der Michaelerkirche vor sich hinrattert. Doch von ihr hängt das Schicksal der Michaelergruft unterhalb der Kirche maßgeblich ab. Denn mit ihr wird das Gewölbe gekühlt, in dem mehr als 200 barocke Särge und über 20 Mumien untergebracht sind – die die Gruft zu einem der bedeutenden kulturhistorischen Denkmäler der Stadt machen.

Doch wie lange es dieses Denkmal noch geben wird, ist fraglich. Denn Pater Peter van Meijl schlägt Alarm: „Die Kühlanlage pfeift aus dem letzten Loch.“ Eine neue würde etwa 40.000 Euro kosten – Geld, das die Pfarre nicht hat. Und ohne Kühlung würde das Raumklima wieder so feucht, dass die Särge innerhalb weniger Jahre komplett zerstört würden. Daneben könnten sich Schimmel und der Rüsselkäfer wieder ausbreiten – und das Holz von innen zerfressen.

Labiles Gleichgewicht

All diese Probleme schien man längst besiegt zu haben, nachdem man 2005 begonnen hatte, die alten Gewölbe und die Särge zu retten. Mithilfe von Spenden und öffentlichen Zuwendungen wurden die Entfeuchtungsanlage angeschafft, die Temperatur gesenkt und so dem Rüsselkäfer die Lebensgrundlagen entzogen. „Ja, das Problem ist vorerst gelöst“, sagt Pater van Meijl. Doch habe man nur ein labiles Gleichgewicht geschaffen, das jederzeit kippen kann.

Doch selbst wenn die Anlage durch lange Schläuche weiter kühle Luft in das Gewölbe pumpt, drohen die barocken Särge und die Mumien zu zerfallen. Immerhin, für 50 ausgewählte Särge soll bald ein Restaurierungsprogramm starten– 600.000 Euro sind dafür notwendig. Die Stadt Wien, das Bundesdenkmalamt und die Erzdiözese beteiligen sich – doch die Pfarre wird auf etwa 100.000 Euro Kosten sitzenbleiben.

Die Rettung der anderen rund 160 Holzsärge, der rund 50 Metallsärge und der mumifizierten Leichname ist da noch gar nicht mitgerechnet. „Eine Variante ist, sukzessive weitere Särge zu retten“, sagt Pater van Meijl, was insgesamt an die drei Millionen Euro kosten dürfte. Eine andere wäre, mit 50 restaurierten Särgen eine „Schaugruft“ zu machen – und den Rest verfallen zu lassen. Letztere Variante wäre eine Notlösung, falls sich keine Geldgeber finden.

Eine Möglichkeit, wie man an mehr Einnahmen kommen könnte, ist der Fremdenverkehr. Doch auch dafür müsste erst einmal investiert werden. Leitungen und Schläuche, die jetzt kreuz und quer durch die Gruft laufen, müssten so verlegt werden, dass sie nicht zu Stolperfallen werden. Der Lehmboden müsste befestigt werden, damit von den Besuchern kein Staub aufgewirbelt wird.

„Keine Geisterbahn“

Von Besucherzahlen und damit verbundenen Einnahmen wie in der Kapuzinergruft (siehe unten) ist man hier weit entfernt. Die Gruft führt eher ein Schattendasein als Geheimtipp. Über Jahrhunderte wurden hier Menschen – vorwiegend reiche Bürger – bestattet. Durch die klimatischen Bedingungen wurden einige davon mumifiziert, was lange einen großen Reiz der Gruft ausmachte. Allerdings: Aus Gründen der Pietät will Pater van Meijl viele der mumifizierten Körper nicht mehr öffentlich zur Schau stellen. „Die Gruft soll ja keine Geisterbahn sein.“

Als Ort der Ruhe und der Beschäftigung mit dem Tod will man die Gruft positionieren. Ganz wird man das aber ohne gesicherte Finanzen nicht schaffen. Eine Idee, wie zumindest ein Teil der weiteren Sanierung bewältigt werden kann, ist die Suche nach Sponsoren für jeden einzelnen Sarg. Pater van Meijl sieht auf jeden Fall Anlass zum Handeln: Denn „wenn man nichts macht, gibt es die Gruft bald nicht mehr“.

www.michaelerkirche.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2010)

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