Die Tierschützerin und die Mafia

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Die Wiener Hundetrainerin und Tierschützerin Sabine Koch ist eine von 13 Personen, die im derzeit laufenden "Mafiaprozess" am Landesgericht Wiener Neustadt angeklagt sind. Sie sagt: "Ich habe mich exponiert."

Sind Sie Mitglied der Mafia?“ – „Nein, bin ich nicht!“, sagt Sabine Koch amüsiert. Den Sommer 2008 verbrachte sie jedenfalls nicht wie sonst in der Natur, sondern in U-Haft, dreieinhalb Monate waren das. Dann kam die Anklage wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation und wegen zweifacher versuchter schwerer Nötigung. Und seit 2.März läuft im Landesgericht Wiener Neustadt – der große „Mafiaprozess“.

Sabine Koch ist 31, lebt in einer Gemeindewohnung in Wien-Donaustadt und lehrt als Hundetrainerin im Wiener Tierschutzhaus den richtigen Umgang mit den Vierbeinern. Tiere sind ihr Leben. „Schon in der Volksschule habe ich ein Referat über Pelztierfarmen gehalten.“ Im Zoo haben ihr als Kind die monoton am Gitter hin und her streifenden Wölfe leidgetan, weshalb sie seither nie mehr in einem Tiergarten war. Wieso dann Mafia? Weil der Generalvorwurf, den die Anklage ihr und zwölf weiteren Tierschützern macht, auf Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation lautet. Und dieser ominöse Paragraf 278a Strafgesetzbuch eigentlich zur Bekämpfung von Drogenschmugglern, Menschenhändlern oder Fälscherbanden gedacht war, als er per EU-Rahmenbeschluss ins nationale Recht Eingang fand.

Im schwarzen Shirt mit dem Aufdruck „Smash §278a“, das auffällig blonde Haar artig zurückgesteckt, kommt Sabine Koch an einem verhandlungsfreien Tag mit ihrem Hund Amigo, einem angegrauten, eigenbrötlerischem Schäfer-Dobermann-Mischling, in ein mit vegetarischer Küche ausgestattetes Café in Mariahilf und erzählt über Demos, Dachbesetzungen und Anketten in Geschäften. Sehr oft waren/sind Textilhäuser, die Pelze verkauf(t)en, das Aufmarschgebiet der Tierrechtsaktivisten. „Ich habe mich in den letzten Jahren durch solche Aktionen exponiert. Ich war amtsbekannt“, sagt die zierliche Frau, der man den Bürgerschreck dann irgendwie doch nicht abkauft. Und ja, sie spricht damit von zivilem Ungehorsam. Von Widerstand. Von Protest. Angefacht durch jene Kluft zwischen Legalität und Legitimität, die etwa die industrialisierte Nutztierhaltung aufweist.

Wie amtsbekannt Frau Koch wirklich war, konnte die (polizeilich observierte) Wienerin nicht ahnen. 21.Mai 2008: Es muss zwischen fünf und halb sechs in der Früh gewesen sein, als sie durch ohrenbetäubendes Krachen geweckt wird. „Ich bin wie versteinert im Bett gesessen.“ Weil die Wohnungstür durch einen Querbalken gesichert ist, bedarf es ziemlich vieler Stöße mit dem Rammbock, bis endlich ein maskierter Polizeitrupp mit gezogenen Feuerwaffen im Schlafzimmer steht und „Runter vom Bett!“ brüllt.

Unzulässige Amtshandlung. Frau Koch ist nackt. Und versteinert. Amigo bekommt die Drahtschlinge eines „Hundefängers“ zu spüren – seinem Frauchen wird beschieden: „Wäre er zur Türe gekommen, hätten wir ihn erschossen.“ Außer Amigo befinden sich eine kranke Hündin und 14Ratten in der Wohnung. Das weiß die Polizei. Sie hat Boxen zum Abtransport ins Tierschutzheim, ironischerweise also an den Arbeitsplatz der „Verdächtigen“, mit. Nach Beschlagnahme von Flugblättern, Stofftieren und Aufklebern für Demos sowie fast ihrer gesamten Bekleidung hört Sabine Koch: „Sie sind festgenommen.“

Später stellt die Oberstaatsanwaltschaft fest, dass das Eindringen der Polizei in der Form „unzulässig“ gewesen sei, eine „subjektive Rechtsverletzung“ darstelle. Noch später fand sich Sabine Koch auf Platz17 der Landesliste der Wiener Grünen für die Nationalratswahl wieder. Das nannte sich „Solidaritätskandidatur“. Martin Balluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VgT), kandidierte auf der Grünen-Bundesliste. Heutzutage sitzt Balluch, VgT, im Gerichtssaal vis-à-vis von Koch, BAT (Basisgruppe Tierrechte).

Während §278a StGB Verbindungen erfasst, die auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet sind, ist versuchte schwere Nötigung etwas „Handfestes“. Sabine Koch sagt, einmal hätte sie einer Kleider-Bauer-Mitarbeiterin „bei einer Demo Flugzettel überreicht“. Ob dieses „Überreichen“ so derb war, dass es als versuchte schwere Nötigung zu werten ist, muss das Gericht klären. Und das zweite Mal? Da sprach sie auf der Aktionärsversammlung von Escada in München. Ihre eigens angeschaffte Aktie berechtigte sie dazu. „Ich habe den Vorstand aufgefordert, pelzfrei zu werden, sonst könnte es eine Kampagne geben.“

Wie geht der Prozess aus? „Ich glaube, die müssen uns verurteilen“, sagt die Frau im „Smash §278a“-Shirt, „sonst haben die am Schluss zu starken Erklärungsbedarf“.

Es ist eines der größten Strafverfahren, das je im Wiener NeustädterLandesgericht anfiel. 13Tierschützer (elf Männer und zwei Frauen) sind wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation angeklagt; Strafdrohung: sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Sie bekennen sich nicht schuldig. Einigen Angeklagten werden auch konkrete Delikte wie schwere Sachbeschädigung oder versuchte schwere Nötigung vorgeworfen. Vorerst wurden bis Jahresmitte 34 Verhandlungstage anberaumt. Es könnten aber deutlich mehr werden.

Anti-Pelz-Kampagnen, wie etwa jene gegen die Firma Kleider Bauer (auf mehrere Filialen sind Buttersäureanschläge verübt worden), stehen im Zentrum der Vorwürfe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2010)

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