Plädoyer für immer neue Zeiten.
Zeitumstellungswochenende, wie schön! Man kann genervt „Schon wieder“ jammern, diskutieren, ob vor oder zurück, ob es früher hell oder dunkel wird, sich über die Stunde freuen – oder über die Ausrede fürs Zuspätkommen: Das Handy hat sich nicht umgestellt! Achtung: Diese Ausrede geht erst im Frühling.
Der Sprung in der Zeit ist eine willkommene Erinnerung, dass das gemütliche dunklere (knappe) halbe Jahr beginnt, mit dicken Schals, Tee, Nebelspaziergängen– und der Advent kommt auch bald! Das Uhrverstellen (das die Digitalgeräte ja eh erledigen) ist ein gemeinschaftliches Einstellen darauf, ein kollektiver Bruch der Routine. Dass die Umstellung den Biorhythmus stört, Schlafenszeiten verschiebt, Leistungsfähigkeit senkt, Psyche und Börsen schadet, überhaupt Tod und Verderben bringen soll? Was für ein Drama! Wer Kinder, jemanden zu pflegen, Nachtdienste, Schichtarbeit, Schlafstörungen, ein Sozialleben, Partnerschaft, Krankheiten oder gelegentlich ein gutes Buch in der Hand hat, kann über einmal eine Stunde Schlaf mehr oder weniger nur lachen. Und wessen Leben deshalb völlig aus dem Takt gerät, der macht sich dieses vermutlich auch so nicht ganz leicht.
Hier sollte man vielleicht über die Ursachen diverser Probleme reden oder über die der epidemischen Schlafstörungen überhaupt. Oder darüber, ob mehr Selbstverantwortung, Autonomie und Flexibilität in der Zeitgestaltung generell nicht auch Ideen wären, um zu ermöglichen, besser nach dem Rhythmus der inneren Uhr zu leben. Eine Zeit, die für Morgenmenschen wie für Nachteulen gut passt, werden wir nicht finden. Freuen wir uns also lieber am Ritual des Zeigerrückens. In welche Richtung noch einmal?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2018)