Die ewigen Fragen zur Umstellung der Zeit

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„Die Menschen wollen das. Wir machen das.“ Das sagt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf die Frage, ob die Zeitumstellung abgeschafft werden solle. Bis dahin sind Details zu klären – und Fragen unter Nachbarn.

Wien. Es gibt Dinge, auf die man sich Jahr für Jahr verlassen kann. Die Zeitumstellung etwa. Jeden letzten Sonntag im März und jeden letzten Sonntag im Oktober drehen wir an der Uhr, zuerst vor und dann wieder zurück.

Das bringt die ständigen Diskussionen, welche Richtung denn nun an der Reihe ist. Und die Frage: „Warum das Ganze?“ Heuer ist eine neue Komponente dazugekommen: Nach einer EU-Umfrage steht die Abschaffung der Zeitumstellung bevor.

1. Wer hat überhaupt mit der Zeitumstellung angefangen?

In Deutschland wurden bereits während der beiden Weltkriege Zeitumstellungen eingeführt. So sollte das Tageslicht besser ausgenutzt und Petroleum und Gas gespart werden. In den 1970er-Jahren führten einige europäische Länder die Sommerzeit wegen der Ölkrise ein, man wollte erneut Energie sparen (länger Tageslicht). 1980 wurde die Sommerzeit in Österreich eingeführt.

2. Erfüllt der „Zeitenwechsel“ heute noch seine damalige Funktion?

Nein. Nennenswerte Einsparungen lassen sich nicht verzeichnen. „Die Zeitumstellung ist ohne praktischen Nutzen für die Wirtschaft und die Bevölkerung“, sagt ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Und votiert für die Beibehaltung der Sommerzeit.

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3. Was macht es mit uns, wenn wir zwei Mal im Jahr die Zeit ändern?

Die Zeitumstellung ist für den Menschen so etwas wie ein Minijetlag. Laut dem Schlafmediziner und Neurologen Stefan Seidel kann dies bei empfindlichen Menschen zu Müdigkeit und Magen-Darm-Problemen führen, allerdings pendelt sich das bald wieder ein.

„Wir wissen, dass zwei bis drei Tage nach der Zeitumstellung die Häufigkeit von Herzinfarkten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt“, sagt Seidel. Dass es durch die Zeitumstellung vermehrt zu Unfällen kommt, ist nicht hinreichend untermauert.

Dass uns die Sprünge durcheinander bringen, liegt im Gegensatz zu einer Urlaubsreise ins Ausland, mit einer Stunde Zeitverschiebung, daran, dass wir die Stunde in der Nacht wegnehmen oder eben dazubekommen. Der Schlafrhythmus ist dadurch gestört.

Das passiere allerdings auch jeden Montag, wenn man nach einem Wochenende, an dem man später zu Bett ging, dann plötzlich wieder früh aufstehen muss. Aus medizinischer Sicht sei eine Abschaffung der Zeitumstellung zu begrüßen.

„Es ist völlig egal, ob wir uns auf die Sommer- oder die Normalzeit einigen“, sagt Seidel im Widerspruch zu dem deutschen Mediziner Till Roenneberg, der nämlich meint, dass eine Umstellung auf eine permanente Sommerzeit dicker, dümmer und grantiger mache. „Wir haben keine fixe Zeit im Gehirn abgespeichert“, erklärt Seidel.

4. Wie reagieren Tiere auf das Hin und Her?

Wildtiere zeigen sich von der Zeitumstellung natürlich wenig beeindruckt. Anders sei das bei Nutztieren, speziell bei Milchkühen, erläutert Josef Weber, der bei der Landwirtschaftskammer Niederösterreich für den Milchmarkt zuständig ist.

Die Zeitumstellung sei nicht nur für die Landwirte eine Belastung. „Auf einem Bauernhof gibt es acht bis 15 Uhren, die alle umgestellt werden müssen, von Fütterungsautomaten bis zu Zeitschaltuhren.“

Milchkühe reagieren ähnlich empfindlich wie Menschen auf die Zeitumstellung und brauchen fünf bis sechs Tage, um sich an die neue Zeit zu gewöhnen. Einfach ein paar Tage vorher immer um etwa zehn Minuten früher zu melken funktioniere nicht, sagt Weber.

Die Arbeitsabläufe seien genau getaktet, der Milchwagen komme zu einer bestimmten Zeit, da könne man auf durch die Zeitumstellung verwirrte Kühe keine Rücksicht nehmen. „Der Bauer braucht in den Tagen um die Zeitumstellung vielleicht eine zusätzliche Arbeitskraft.“

Dass die Kühe in diesen Tagen weniger Milch geben, lasse sich nicht sagen. Der Arbeitsaufwand sei schlicht größer. „Aus der Sicht der Milchbauern und all jener, die mit der Natur arbeiten, ist eine Umstellung auf die Normalzeit besser.“

5. Worauf einigen wir uns bei Abschaffung der Umstellung?

Am Montag wird es spannend: Bei einer Konferenz der EU-Infrastrukturminister in Graz will man zu einer Vorentscheidung kommen. Fest steht, dass bei der EU-weiten Onlinebefragung (insgesamt 4,6 Millionen Menschen nahmen an der Befragung teil) die große Mehrheit für eine Abschaffung der Zeitumstellung – inklusive Beibehaltung der Sommerzeit - votiert hat.

Zwar ist die Festlegung auf dauerhafte Sommerzeit eine nationale Angelegenheit, man wolle aber darauf achten, dass es bei den unmittelbaren europäischen Nachbarn möglichst keine Sprünge gebe, heißt es von österreichischer Seite. Aktuell gibt es innerhalb der Europäischen Union drei Zeitzonen. EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc meint, dass die Zeitumstellung bis 2020 oder 2021 endgültig abgeschafft werden könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2018)

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