Sexualkunde auf dem Prüfstand

Verhütung und Sex: Über manche Themen sprechen Schüler lieber mit Externen.
Verhütung und Sex: Über manche Themen sprechen Schüler lieber mit Externen. (c) Teresa Zoetl
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Nachdem ein Aufklärungsverein mit bedenklichen Inhalten aufgefallen ist, soll die Qualität besser kontrolliert werden. Experten vermissen eine solide Ausbildung der Lehrer.

Wien. Gegen Homosexualität, gegen Masturbation und gegen Sex vor der Ehe: Dass ein Verein, der Sexualkundeworkshops durchführt, angeblich solche Inhalte propagierte („Die Presse“ berichtete), löst nun eine breitere Debatte aus. Darüber nämlich, welche Aufklärungsvereine überhaupt in Schulen geholt werden, ob diese den Vorgaben entsprechen – und wie sichergestellt werden kann, dass von ihnen auch keine bedenklichen Inhalte vermittelt werden, wie das offenbar beim Verein Teenstar passierte.

Eine Liste aller Vereine, die für Sexualkundeworkshops in die Schule geholt werden, hat man im Bildungsministerium von Heinz Faßmann (ÖVP) bis dato nicht. Erst als der umstrittene christliche Aufklärungsverein Teenstar auffiel, wurde im September angeordnet, dass alle Institutionen, die in puncto Sexualkunde mit Schulen kooperieren, den Bildungsdirektionen der Länder gemeldet und stichprobenartig untersucht werden sollen. Die Frage, ob und welche externen Personen für Workshops in Schulen geholt werden, liegt zumindest bisher allein in der Verantwortung der Schule, konkret: beim Lehrer und bei der Direktion.

Geht es nach dem Lehrervertreter Paul Kimberger, sollen diese künftig aus einer Art Pool an zertifizierten Vereinen wählen können – übrigens nicht nur für Sexualkunde. Ob das eine Lösung ist, überlegt man im Ministerium noch. Man will für die Qualitätssicherung jedenfalls vor allem die Schulaufsicht stärker einbinden. Auch die Kommunikation mit den Eltern soll verbessert werden. Diese würden oft nur kurz informiert, dass ein Sexualkundeworkshop anstehe. Sie sollen besser eingebunden werden. „Da wollen wir uns Standards überlegen – etwa, dass auch Inhalte offengelegt werden.“

Was an Sexualkunde in den Schulen gelehrt werden soll, das findet sich neben dem Lehrplan der unterschiedlichen Fächer in einem Grundsatzerlass, der vor drei Jahren überarbeitet wurde – was damals unter anderem zu Debatten über eine Verstaatlichung der Sexualerziehung führte, weil einigen darin zunächst ausgerechnet die Rolle der Eltern zu kurz kam. In der Schule ist Sexualkunde jedenfalls ein fächerübergreifendes Thema, das alle Lehrer fordert.

Was nicht immer funktioniert – so, wie es bei manchen der übergreifenden Unterrichtsprinzipien der Fall ist. „Es ist ein Thema, das grundsätzlich polarisiert. Da prallen Wertesysteme und Wertehaltungen aufeinander, das erzeugt Spannung“, sagt Wolfgang Plaute, der das Bundeszentrum für Sexualpädagogik an der Pädagogischen Hochschule (PH) Salzburg leitet. „Und dieser Spannung geht man halt aus dem Weg.“

„Der Idealzustand ist ein Tandem“

Dass es durchaus verbreitet ist, für Sexualkundeworkshops Vereine und Experten in die Schule zu holen, liege unter anderem auch daran, dass viele Lehrer nicht gut dafür ausgebildet sind, sagt Plaute. „An den meisten Hochschulen kommt das Thema zwar vor – aber das sind einzelne, kleine Lehrveranstaltungen, und sie sind oft nicht verpflichtend. Es gibt bestimmt Lehrer, die keine einzige Stunde Sexualpädagogik hatten.“

Grundsätzlich hält er es aber durchaus für sinnvoll, externe Experten an die Schule zu holen. „Der Idealzustand ist eine Kooperation, eine Art Tandem: Lehrer, die in den Basics ausgebildet sind und so ihre Rolle übernehmen – und dann externe Experten für weiterführende Aufgaben. Für die jungen Menschen kann es einfacher sein, ihre sehr persönlichen Fragen an Experten zu stellen, die danach wieder gehen – statt dem Lehrer, der ja dann wieder eine andere Rolle einnimmt“, sagt Plaute, der auf eine fundierte Qualitätssicherung bei den Vereinen drängt.

Auch im Bildungsministerium hat man an und für sich nichts gegen die Einbindung von Vereinen und Experten: Grundsätzlich habe die Lehrkraft den Unterricht zu erfüllen – das gelte auch für die Sexualpädagogik. „Dagegen, dass externe Profis als Unterstützung geholt werden, ist aber nichts einzuwenden – sofern die Qualität passt.“ Da gilt es nun wohl, etwas genauer hinzuschauen.

AUF EINEN BLICK

Sexualkunde. Teenstar soll in Schulen bedenkliche Inhalte vermittelt haben – unter anderem zu den Themen Homosexualität und Masturbation. Der weltweit tätige christliche Verein wird nun vom Bildungsministerium überprüft. Bis Dezember soll das abgeschlossen sein. Klar ist aber schon jetzt: In der derzeitigen Form darf Teenstar nicht weiter an Schulen tätig sein. Der Fall des Vereins, der vor allem in Salzburg aktiv war, hat die Sexualpädagogik generell wieder in den Fokus gerückt. Tatsache ist, dass es bisher keinen wirklichen Überblick darüber gab, welche Vereine Workshops an Schulen bieten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2018)

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