Bei einem Skikurs in Mariazell ist ein Lehrer tödlich verunglückt. Er war direkt neben der Piste in den Schnee gestürzt und ist vermutlich erstickt. Fälle wie diesen gibt es immer wieder.
Mariazell/Stockerau. Eigentlich wollten die Schüler des BG Stockerau in gut zwei Wochen den Schneeball feiern – ihren Schulball. Nun ist das Fest abgesagt. Denn vor zwei Tagen hat das Gymnasium einen Lehrer verloren: Der 62-Jährige ist am Dienstag bei einem Skikurs in Mariazell im Schnee tödlich verunglückt.
Der Turnlehrer war mit neun Zweitklässlern auf der Familienabfahrt unterwegs, einer mittelschweren Piste auf der Bürgeralpe, als er plötzlich einen Ski verlor. Warum ist derzeit unklar. Sicher ist, dass er über den linken Pistenrand sechs oder sieben Meter tief in ein steiles Waldstück stürzte und kopfüber im Schnee stecken blieb. Die Bergretter konnten den Mann wenig später nur noch tot aus dem tiefen Schnee bergen. Sie vermuten, dass er erstickt ist; eine Obduktion soll Klarheit bringen.
Dass so nahe an der Skipiste überhaupt Bergretter zum Einsatz kommen mussten, und kein anderer den verunglückten Lehrer früher aus dem Schnee ziehen konnte, liegt daran, dass die Stelle besonders heikel ist, wie der Mariazeller Bergrettungschef Franz Tributsch erklärt. Er versuchte mit neun Kollegen, Sanitätern und Notarzt vergeblich, den Lehrer zu retten.
Der viele Schnee und Wind der vergangenen Tage hatte direkt am Pistenrand zu einer Schneewechte geführt, über die der Mann meterweit ins Waldstück hinunterstürzte. Von oben drohte Schnee nachzurutschen und Helfer zu verschütten. Laut dem Liftbetreiber war es dem Begleiter einer anderen Schülergruppe, die weiter oben unterwegs war, nicht gelungen, zu dem Mann zu gelangen. Er hatte die Jugendlichen demnach auch ins Tal geschickt, um Hilfe zu rufen.
Die Schüler haben ihren Skikurs abgebrochen. Nachdem sie vor Ort noch von der Krisenintervention des Landes betreut worden waren, sind sie am Tag nach dem Unglück abgereist. In Stockerau standen laut Niederösterreichs Bildungsdirektor Johann Heuras Schulpsychologen für sie bereit. Ob die Kinder in den kommenden Tagen Unterricht haben oder nicht, ist noch unklar. Es sei durchaus möglich, dass manche Schüler nicht dazu in der Lage seien.
Zehn bis 15 Minuten Zeit
Dass Menschen im Schnee ersticken, ohne tatsächlich von einer Lawine verschüttet zu werden, sei nicht alltäglich, sagt Alexander Egger, Mediziner beim Bergrettungsbundesverband. Es komme jedoch durchaus immer wieder vor. Solche Fälle gebe es vor allem, wenn der Schnee so hoch liege wie jetzt.
Zuletzt ist so ein Unfall laut dem Kuratorium für Alpinsicherheit erst vor wenigen Tagen passiert. Eine 24-jährige Snowboarderin kam – ähnlich wie der Lehrer in Mariazell – am vergangenen Sonntag in Vorarlberg von der Piste ab und blieb kopfüber bis zur Hüfte im tiefen Schnee stecken. Sie konnte von ihren Kollegen nur noch tot ausgegraben werden.
Wie lange Zeit bleibt, um jemanden zu retten, der kopfüber im Schnee steckt, kommt darauf an: Wenn jemand eine Atemhöhle hat – also noch etwas Luft zum Atmen, etwa, weil er die Hände vors Gesicht bekommt –, kann er laut Egger eineinhalb bis zwei Stunden, in Extremfällen sogar noch länger, im Schnee durchhalten.
Wenn allerdings der Schnee direkt vor Mund und Nase ist – und das dürfte bei dem verunglückten Lehrer laut den Bergrettern der Fall gewesen sein –, ersticken Menschen binnen zehn oder 15 Minuten, sagt Egger. „Das kann man sich vorstellen wie wenn man mit dem Kopf unter Wasser taucht.“
In derart kritische Situationen kann man übrigens nicht nur beim Wintersport kommen. Tributsch warnt etwa auch davor, alleine Dächer abzuschaufeln: Wenn man hier vom Dach fällt und kopfüber im Schnee landet, schafft man es alleine in der Regel nicht mehr heraus. Auch Egger empfiehlt für die Regionen, in denen es besonders viel Schnee gibt, generell, im Freien keine Tätigkeiten alleine durchzuführen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2019)