Eine Frau wurde am Hauptbahnhof erstochen, es ist der vierte Frauenmord im neuen Jahr. Das Innenministerium will nun eine Screening-Gruppe einrichten. Kritik an fehlenden Infos in der Statistik gibt es schon länger.
Wien. Nach drei Morden an Frauen innerhalb der vergangenen Woche in Niederösterreich ist in der Nacht auf Dienstag am Wiener Hauptbahnbahnhof eine weitere Frau getötet worden. Die 25-jährige Spanieren wurde von ihrem Bruder erstochen. Der 21-Jährige, den die Polizei unmittelbar nach der Tat festnahm, zeigte sich in einer ersten Einvernahme am Dienstagvormittag geständig.
Nach Angaben der 32-jährigen Adoptivschwester des Mannes, die sich ebenfalls am Tatort befand und unverletzt blieb, waren die Frauen nach Wien gereist, um mit dem Bruder zu sprechen, sagt ein Polizeisprecher. Warum die beiden mit dem 21-Jährigen sprechen wollten, war vorerst unklar, so wie auch der Zeitraum, in dem sich der Spanier in Wien aufgehalten hat. Für weitere Informationen „müssen wir aber erst die Einvernahmen abwarten“, sagt der Sprecher. Diese sollen noch bis Dienstagabend andauern. Die Tatwaffe, ein Küchenmesser mit rund 20 Zentimeter langer Klinge, wurde neben der Leiche sichergestellt.
1 Wie viele Frauen wurden zuletzt ermordet?
Die Zahl der Frauenmorde war bereits im Jahr 2018 so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. 41 Frauen wurden laut Bundeskriminalamt (BKA) ermordet – und da fehlt der Monat Dezember noch. Bei den Daten handelt es sich um Rohdaten - trotzdem ist schon jetzt klar: Die Zahl der Frauenmorde ist seit 2015 – wo es 17 waren – jedes Jahr gestiegen: von 28 (2016) auf 36 (2017). Die zwei Hauptmotive sind laut BKA übrigens Geld/Gier oder Liebe/Eifersucht.
2 Gibt es ein Problem mit ausländischen Tätern?
Sieht man sich die vier Morde heuer an, hatten die Täter in drei von vier Fällen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft oder hatten Migrationshintergrund. Bei der Mord-Statistik 2018 gibt es zwar mehr österreichische Täter (41) als nicht-österreichische (35) – allerdings liegt der Ausländeranteil in Österreich bei ungefähr 15 Prozent. Am häufigsten verübten Serben (7) und Kosovaren (7) die Morde, gefolgt von Slowaken (4) und Kroaten (3). Afghanische Täter gab es zwei, syrische Täter gar keine. Dass es Probleme mit der patriarchalischen Welt mancher Zuwanderern gibt, deuten sowohl Frauen-NGOs als auch das BKA an. Wenn es auch wenig bis keine wissenschaftliche Aufarbeitung gibt. Wenn die Polizei etwa zu so einer Familie gerufen wird, weil der Familienvater seine Frau schlägt: „Dann versteht er überhaupt nicht, warum er die Frau nicht schlagen darf, und warum er die Wohnung verlassen muss“, erzählt ein BKA-Sprecher.
3 Es gibt immer wieder Kritik an der Statistik. Warum?
In Österreich wird das Alter von Opfer und Täter, auch deren Herkunft erfasst – allerdings wird beim Beziehungsstatus nur aufgeschlüsselt, ob die Täter und Opfer etwa in einer familiären Beziehung in einem Haushalt lebten. Für die Prävention sei es relevanter zu wissen, ob der Täter der Ehemann, der Exfreund, Vater oder Sohn sei – so Andrea Brem von den Wiener Frauenhäusern. Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung würde sich auch Details zu Betretungsverboten wünschen – nämlich wer sie benötigt: „Dadurch kann man ablesen, ob Gewalthandlungen von jungen Erwachsenen gegen ihre Eltern steigen. Oder die von Vätern und Müttern etc.“ Gleiches gelte für einstweilige Verfügungen.
4 Was will der Staat angesichts der vielen Morde nun tun?
Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat am Dienstag angekündigt, eine Screening-Gruppe einzurichten. Die Gruppe soll Mordfälle, die seit 2018 verübt wurden und als Beziehungstat eingestuft werden, aufrollen, screenen und analysieren. In den Fokus gefasst werden sollen beispielsweise die Vorgeschichte des Täters, die Opfer-Täter-Beziehung und Opfer-Täter-Charakteristika. „Es geht uns unter anderem darum zu analysieren, wer was wann wo wie womit und warum getan hat. Daraus sollen Muster abgeleitet werden. Eine weitere Frage, die sich die Gruppe stellen wird, ist, ob es Kommunikationsmängel zwischen verschiedenen Stellen gibt, die behoben werden müssen. Dadurch soll ein präventiver Ansatz erzielt werden, wodurch künftige Gewalttaten verhindert werden können“, so Kickl.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2019)