Hinterbliebene klagen Bauern nach tödlicher Kuh-Attacke in Tirol

Die Presse/Clemens Fabry
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Eine 45-jährige deutsche Wanderin war im Juli 2014 im Tiroler Stubaital unterwegs gewesen und von Kühen attackiert worden. Die Hinterbliebenen haben den Landwirt auf Schadenersatz geklagt.

Der Zivilprozess nach der tödlichen Kuh-Attacke auf eine 45-jährige Deutsche im Juli 2014 im Tiroler Stubaital ist am Montag am Landesgericht Innsbruck fortgesetzt worden. Die Hinterbliebenen hatten den Landwirt auf Schadenersatz geklagt, nachdem die Staatsanwaltschaft keine Anklage gegen den Bauern erhoben hatte. Sie warfen ihm vor, gegen die Sorgfaltspflicht eines Tierhalters verstoßen zu haben. Das Verfahren soll am Dienstag fortgesetzt werden. Weitere Zeugen sollen aussagen.

Der Landwirt hatte stets beteuert, dass Warnschilder angebracht gewesen waren. Ein Zeuge, der selbst an jenem Tag eine Wanderung unternommen und den Vorfall teilweise mitbekommen hatte, bestätigte das Vorhandersein derartiger Schilder. "Ich habe ein Schild mit der Aufschrift 'Achtung Mutterkuhhaltung' gesehen, konnte aber zu diesem Zeitpunkt nichts damit anfangen. Mir waren bis dahin Kühe nämlich nur als zahme Tiere bekannt", meinte der Zeuge.

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Als er dann in die Nähe jenes Bereiches gekommen war, wo die Frau attackierte wurde, habe er nur mehr eine Herde an Kühen und etwas später einen Hund gesehen, der weglief. "Als der Hund weglief, haben dann auch die Kühe abgelassen, und die Herde hat sich aufgelöst", erinnerte sich der Mann. Er selbst sei an jenem Tag auch mit einem Hund unterwegs gewesen. Ihm sei aber nicht bekannt gewesen, dass es problematisch sein kann, wenn Mutterkühe und Hunde aufeinandertreffen. Der Wirt einer nahegelegenen Hütte, habe ihm später erzählt, dass es an jenem Tag bereits zuvor einen Vorfall mit italienischen Wanderern, die mit einem Hund unterwegs waren, und den Kühen gegeben habe, so der Zeuge.

Zu Tode getrampelt

Die 45-Jährige war am 28. Juli 2014 im Pinnistal, einem Seitental des Stubaitals, mit ihrem Hund auf einem Wanderweg unterwegs, als die Kühe plötzlich seitlich auf sie zuliefen. Die Frau wurde an Ort und Stelle rund 45 Minuten lang reanimiert, erlag jedoch ihren Verletzungen. Nach Angaben der Exekutive hatte es die Herde vermutlich auf den angeleinten Hund der Frau abgesehen. Das Tier soll sich laut einem Zeugen zuvor aber nicht aggressiv den Kühen gegenüber verhalten haben. Die Obduktionsergebnisse ergaben, dass die Deutsche zu Tode getrampelt wurde.

Die Hinterbliebenen forderten 360.000 Euro Schadenersatz. Am heutigen Prozesstag war noch die Anhörung mehrerer Zeugen sowie der Vortrag eines Gutachtens geplant.

Zeugin: Keine Warnschilder

Eine Zeugin, die am Tag des Unfalls ebenfalls auf dem selben Wanderweg unterwegs war, widersprach dem ersten Zeugen und meinte, dass sie keine Warn- oder Hinweisschilder gesehen habe. "Nur am nächsten Tag waren dann überall Schilder", meinte die per Videokonferenz einvernommene, in Deutschland lebende Italienerin.

Sie selbst sei kurz vor der Deutschen gemeinsam mit ihrem Mann, vier Kindern und zwei Hunden auf dem Weg gewandert. "Es hat sich uns dann ein kleines Kalb genähert, dass sich mit einem der Hunde beschnuppert hat. Dabei ist aber nichts passiert", erklärte die Frau. Kurz darauf sei dann aber eine Kuh auf sie zugegangen und wenig später kam eine zweite Kuh angerannt, die "schon richtig auf Angriff war", so die Zeugin.

"Die Kuh hat mich dann auf die Hörner genommen, wobei ich zu Boden gestürzt bin und mein Rucksack an den Hörnern der Kuh hängen blieb", schilderte die Frau. Plötzlich sei die gesamte Herde von rund 20 Tieren um sie herum gewesen. "Mein Mann hat begonnen laut zu schreien, wodurch die Kühe wieder weggelaufen sind", sagte die Frau. Schließlich sei ein zweiter Mann gekommen und habe geholfen die Tiere zu vertreiben. Später habe sie dann einen Hubschrauber gehört und erfahren, dass die Kühe eine Frau getötet hatten.

Gutachter: Herde schon davor "in höchster Aufregung"

Bevor die Kühe auf die 45-jährige Deutsche losgingen, seien sie bereits durch den Vorfall mit der italienischen Familie kurz zuvor in Aufruhr gewesen, meinte ein Gutachter vor Gericht. "Es ist vorstellbar, dass wenn das Ereignis zuvor nicht gewesen wäre, die Frau mit ihrem Hund ohne Probleme über die Alm hätte gehen können", erläuterte der Gutachter.

"Die Tiere sind deshalb so ansatzlos in Aggression übergegangen, weil die Herde 30 Minuten vorher in höchste Aufregung versetzt wurde", so der Sachverständige. Rinder seien grundsätzlich gleichzeitig sehr neugierig, aber auch sehr schreckhaft. "Ich empfehle deshalb eine physische Annäherungen nur jenen, die sich mit den Tieren auskennen. Denn wenn der Mensch eine unerwartete Aktion setzt, erschrecken die Tiere", sagte der Gutachter.

Eine Zeugin hatte zuvor von dem Vorfall mit der italienischen Familie berichtet. Der kleine Hund der Gruppe sei sehr "unangenehm und aufgeregt" gewesen, berichtete die Frau. "Wir, also mein Mann, meine drei Söhne und ich, haben extra Abstand zu der Familie gehalten", sagte die Zeugin. Sie habe jedenfalls die Hinweisschilder auf Mutterkuhhaltung gesehen und mit ihren Söhnen auch kurz darüber gesprochen.

Der Gutachter bestätigte jedenfalls, dass der beklagte Landwirt den Sorgfaltsanforderungen nachgekommen sei. Auch bei einem Lokalaugenschein am Hof des Bauers konnte er kein auffälliges Verhalten bei den Kühen feststellen, so der Sachverständige.

(APA)

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