Im Zivilprozess nach der tödlichen Kuh-Attacke in Tirol hatte der Landwirt immer wieder auf angeordnete Warnschilder verwiesen. Laut dem aktuellen Urteil wäre jedoch eine zusätzliche Abzäunung notwendig gewesen.
Im Zivilprozess nach der tödlichen Kuh-Attacke in Tirol hatte der Landwirt immer wieder auf Warnschilder verwiesen, die er nach einem OGH-Urteil aus dem Jahr 2015 angebracht hatte. Laut dem nunmehrigen Urteil des Landesgerichts Innsbruck war der bloße Hinweis auf das Vorhandensein einer Mutterkuhherde aber nicht ausreichend, eine zusätzliche Abzäunung wäre notwendig gewesen.
Die Obersten Richter hatten im Jahr 2015 eine Schadenersatzklage einer Frau abgewiesen, die ebenfalls von Kühen attackiert worden war, weil die angebrachten Hinweisschilder laut OGH ausreichend waren. Diese beiden Fälle sind laut Rechtsanwalt Michael Hirm, Vertreter des Klägers, aber nicht vergleichbar. Bei dem OGH-Urteil habe es sich um ein privates, abgezäuntes Weidegebiet gehandelt, im Tiroler Fall sei der Unfall auf einer öffentlichen Straße passiert, so Hirm am Freitag im Gespräch mit der APA.
Abzäunungen notwendig
Auch das Landesgericht Innsbruck führte die hohe Frequenz von Wanderern, Mountainbikern und Autos in der Urteilsbegründung an. "An einem neuralgischen Punkt wie dem Unfallort sind Abzäunungen zum Schutz des höchsten Gutes, des menschlichen Lebens, notwendig und aufgrund des geringen Aufwandes auch zumutbar", hieß es.
Anders sah die Sache naturgemäß Ewald Jenewein, Anwalt des beklagten Landwirts. "Mein Mandant hat genau das gemacht, was der OGH damals vorgegeben hat", meinte Jenewein. Der Rechtsanwalt sah deshalb auch "sehr gute Chancen" für die Berufung des erstinstanzlichen Urteils, die bereits eingelegt wurde. Zudem hätte der Unfall auch an einer anderen Stelle der Weide, einer weniger stark frequentierten Stelle, passieren könne, was eine Einzäunung rein dieser stark frequentieren Stelle absurd mache, merkte der Anwalt an. Er sei der Auffassung, dass das Urteil "falsch" sei.
Hirm bescheinigte dem nunmehrigen Rechtsspruch des Landesgerichts hingegen eine "hohe juristische Qualität". "Der Richter hat sich zu allen strittigen Fragen Gedanken gemacht", meinte Hirm. Wenn man das Urteil aufmerksam lese, dann merke man, dass es keinesfalls den Untergang der Almwirtschaft bedeute - eine Kritik, die sowohl Jenewein, als auch die Landwirtschaftskammer Tirol geäußert hatten. "Das Urteil beschränkt sich rein auf den Unfallort und auf dieses eine Jahr, in dem die Kühe besonders aggressiv waren. Das Urteil bezieht sich auf einen Einzelfall und es steht nirgends, dass man Tiere auf der Alm generell wegsperren muss", betonte Hirm.
Er warf sowohl Jenewein als auch der Landwirtschaftskammer vor nun zu versuchen, Emotionen zu schüren. "Sie wollen damit Druck auf die Justiz ausüben, sodass in den nächsten Instanzen anders entschieden wird", sagte Hirm. "So wie das Urteil begründet ist, bin ich aber guter Hoffnung, dass es halten wird", fügte der Anwalt des Witwers hinzu.
180.000 Euro und 1.500 Euro monatlich
Das Landesgericht verurteilte den Landwirt zu einer Zahlung von 180.000 Euro sowie einer Rente in der Höhe von 1.500 Euro an den Witwer und den Sohn die monatlich ausgezahlt werden muss. Für diese Rente gebe es vorerst noch keine zeitliche Befristung, weshalb auch noch nicht klar ist, wie viel der Landwirt letztendlich zahlen wird müssen, sollte das Urteil rechtskräftig werden, erklärte Jenewein. Im Falle des Sohnes jedenfalls bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, fügte er hinzu. Der gesamte Streitwert des Prozesses lag bei rund 490.000 Euro. Das Zivilverfahren geht nun in nächster Instanz an das Oberlandesgericht Innsbruck. Sollte dort wieder berufen werden, muss sich der OGH mit dem Fall beschäftigen.
Am 28. Juli war eine 45-jährige Deutsche im Pinnistal, einem Seitental des Stubaitals, mit ihrem Hund auf einem Wanderweg unterwegs, als die Kühe plötzlich seitlich auf sie zuliefen. Die Frau wurde an Ort und Stelle rund 45 Minuten lang reanimiert, erlag jedoch ihren Verletzungen. Nach Angaben der Exekutive hatte es die Herde vermutlich auf den angeleinten Hund der Frau abgesehen. Das Tier soll sich laut einem Zeugen zuvor aber nicht aggressiv den Kühen gegenüber verhalten haben. Die Obduktionsergebnisse ergaben, dass die Deutsche zu Tode getrampelt wurde. Die Hinterbliebenen forderten 487.000 Euro Schadenersatz. Die Staatsanwaltschaft hatte noch im Jahr 2014 die Ermittlungen gegen den Landwirt eingestellt.
(APA)