Eine Rutsche ist die jüngste Attraktion in Graz – mit 64 Metern Höhe ist sie laut Betreibern die höchste ihrer Art weltweit. In die Tiefe geht es im Dunkeln, turbulent wird es aber erst unten.
Mutprobe, das sagt sich so leicht dahin. Der Blick in die Dunkelheit, die vor einem liegt, sorgt dann jedenfalls für ein wenig Kribbeln. Denn hier, von den Kasematten im Grazer Schlossberg, geht es in genau dieser dunklen Röhre bergab. Und das ist wohl auch das Gemeine daran – man weiß nicht so recht, was einen erwartet. Wird es rumpelig, wird es schnell, wird man Angst bekommen, und kann man dann bremsen?
Aber fangen wir von vorn an, genauer gesagt unten. Am Eingang des Grazer Schlossbergs deutet nicht viel darauf hin, dass in den vergangenen Monaten hier eine ziemlich lange Rutsche gebaut wurde. 64 Meter ist sie hoch – laut den Betreibern ist sie die höchste Underground-Rutsche weltweit – und sie verläuft rund um bzw. neben dem Lift, der sonst Besucher nach oben zum Uhrturm bringt. Ist man einmal am Ticketschalter vorbei und hat das Drehkreuz passiert, zeigen sich dann aber die neuen Eingeweide des Berges. Metallene Kurven führen in mehr oder weniger engen Kreisbewegungen nach oben. Genauer, von oben nach unten, zumindest wenn wir an die Rutschrichtung denken. Und am Ende wartet eine Öffnung, ein dunkles Loch – aus Sicht des Rutschenden ist das wohl das ersehnte Ende – um nicht den kitschig überfrachteten Begriff vom Licht am Ende des Tunnels zu verwenden.
Die Fahrt, erklärt ein Mitarbeiter oben – um nicht den zu Recht völlig unbekannten Begriff vom Licht am Anfang des Tunnels zu verwenden – gehe über etwa 175 Meter Länge. Bis man unten ist, vergehen rund 40 Sekunden. Nein, schlecht geworden sei noch niemandem, Panikattacken habe es nicht gegeben. Und ja, alles sei sicher. Gerutscht wird auf einer Matte, die Füße stecken in einem Sack. Es kann nichts passieren, nur bitte flach liegen bleiben und nicht aufsetzen, vielen Dank.
Moment der Überwindung. Da liegt man nun also am Start, die Beine in der Tasche verstaut. Und dann der Moment der Überwindung – Abstoßen, flach niederlegen und los in die Dunkelheit. Und ja, die ersten Meter gehen schon ganz gut. Und je nach Abenteuerlustlevel stellt sich Erleichterung oder Enttäuschung ein, dass man sich nicht fühlt wie im freien Fall. Nein, es rutscht sich schon okay, aber der Respekt davor war vielleicht doch größer als nötig. Damit wird auch verständlich, dass hier auch Kinder rutschen dürfen. 1,30 Meter groß muss man sein, dann kann man mitmachen – allein, denn aus Sicherheitsgründen darf immer nur eine Person auf der Rutsche sein. Und man sollte sich nicht vor Dunkelheit fürchten. Denn nur alle paar Meter kommt durch Bullaugen ein wenig Licht, meist ist es ziemlich duster.
Erst gegen Ende hellt es auf, wenn der Oberteil der Röhre transparent wird – und das ist auch der Teil, der den meisten Spaß bereitet. Denn hier kommt nach langer Rechtsspirale ein Richtungswechsel, es schaukelt – und zum Abschluss geht es in den Steilhang. Da wird es schon recht rasant – und am Ende landet man wieder ganz unten in einer Auslaufzone. Und blickt auf die Anzeige, wie lange man gebraucht hat. Auf 36,6 Sekunden stand der Tagesrekord, mit 39,9 ist man doch ziemlich weit dahinter. Das weckt den Ehrgeiz – da capo! Und dann beginnt das Feilen, wie man Zehntelsekunde um Zehntelsekunde wegbekommt.
Das Geheimnis ist, möglichst wenig Auflagefläche zu haben: Schulterblätter und Fersen auf den Boden, den Rest hoch halten. Und das Gewicht? Ja, das spielt eine Rolle, nur ist der Großteil der Rutsche nicht so steil, dass das der Riesenvorteil wäre. Ein, zwei Testfahrten müssen also sein – einmal Rutschen kostet 5 Euro, dazu kommt das Ticket für den Lift. Den ganzen Tag wird man hier also eher nicht verbringen. Aber für ein paar Fahrten zahlt sich der Besuch aus. Denn Spaß macht es auf jeden Fall. Und Mutprobe? Den Begriff hat man spätestens nach der ersten Fahrt ad acta gelegt.
IN ZAHLEN
175
Meter lang ist die Rutsche.
80
Zentimeter beträgt der Durchmesser der Röhre.
30
km/h kann man laut den Betreibern erreichen.
Informationen unter Schlossbergrutsche.at
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2019)