Arzt erneut vor Gericht: Selbstverletzungen "wie ein Ventil"

Der Angeklagte am Dienstag vor Gericht
Der Angeklagte am Dienstag vor GerichtAPA/ERWIN SCHERIAU
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Weil ein Freispruch aufgehoben wurde, steht ein praktischer Arzt in Graz zum zweiten Mal vor Gericht. Er soll seine vier Kinder psychisch gequält haben.

Im Grazer Straflandesgericht hat am Dienstag die zweite Auflage des Prozesses gegen Eduard Lopatka begonnen. Der praktische Arzt soll jahrelang seine vier Kinder gequält haben, indem er ihnen mit Selbstmord drohte, sich vor ihnen selbst verletzte und sie mit abfälligen Äußerungen bedachte. Der Angeklagte fühlte sich in keiner Weise schuldig. Die Verhandlung wurde auf 26. März vertagt.

Der Prozess begann mit heftigem Gedränge, da zahlreiche Zuschauer keinen Platz in dem kleinen Verhandlungssaal fanden. Das Gericht hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass dieses medial ungemein präsente Verfahren auf starkes Interesse bei Journalisten und Zuschauern stoßen könnte, und schleuste auch noch rund ein Dutzend Rechtspraktikanten in den Saal.

Staatsanwalt: "Fall, der drei Kriminalromane füllen könnte"

"Wir stehen wieder ganz am Anfang eines Falles, der drei Kriminalromane füllen könnte", begann Staatsanwalt Christian Kroschl. Er beschrieb, dass der Angeklagte seine vier Kinder über Jahre hinweg "gedemütigt und sich ihnen gegenüber lieblos verhalten hat". Weiters drohte Lopatka ihnen laut Ankläger mit Selbstmord. Medikamente soll er den Kindern auch verabreicht haben, und zwar so lange, bis zwei Töchter süchtig wurden. Außerdem verletzte er sich demnach immer wieder selbst und befahl den Kindern, ihm zu helfen und venöse Spritzen zu verabreichen. Alle vier waren in Psychotherapie: "Ein gänzlicher Heilungserfolg ist noch nicht eingetreten", erläuterte Kroschl.

Richter Oliver Graf beleuchtete zunächst sehr ruhig das persönliche Umfeld des praktischen Arztes. Auffällig war, dass der Beschuldigte in einigen Punkten etwas anderes erzählte als beim ersten Prozess. Wie beim ersten Mal schilderte er auch diesmal, dass er von in der Früh bis spät am Abend gearbeitet, die Kinder versorgt und den ganzen Einkauf erledigt habe. Gleichzeitig gab er an, dass er immer ein oder zwei Haushälterinnen beschäftigt hätte.

Finanziell ging es der Familie offenbar sehr gut: "Wir konnten uns alles leisten", bestätigte Lopatka. Seine Kinder hätten alles von ihm bekommen, "so viel Lego, dass ein Zimmer gar nicht gereicht hat", und jede Menge Süßigkeiten. "Finden Sie das erziehungstechnisch gut?", fragte der Richter. "Ich kann nicht Nein sagen, ich tue mir schwer damit, etwas auszuschlagen, das ist der Grund, warum ich diese Scheiße jetzt habe", lautete die Antwort.

Dann kam das Gespräch auf das Liebesleben, nachdem ihn seine Frau beschuldigt hatte, sie mehrmals betrogen zu haben. "Ich war immer treu", betonte Lopatka. Beim ersten Prozess war noch von bis zu vier Beziehungen gleichzeitig die Rede gewesen. Er gab zu, oft SMS von anderen Frauen bekommen zu haben, auch gab es Treffen, aber nichts Sexuelles, wie er am Dienstag beteuerte.

Selbstmorddrohungen zugegeben

Der Staatsanwalt warf dem praktischen Arzt vor, durch seine ständigen Selbstmorddrohungen die Kinder psychisch gequält zu haben. Er soll mit der Waffe vor den Kindern gestanden sein, was er aber bestritt. Ein anderes Mal hängte er sich demnach tatsächlich auf, allerdings mit einem von ihm präparierten Strick, der abriss. Die Drohungen leugnete er auch gar nicht. "Das gestehen Sie also?", sah der Richter eine Wendung gekommen. "Nein, kein Geständnis", beeilte sich die Verteidigerin einzuwerfen.

Ein weiteres Thema waren die Spritzen, die ihm seine Tochter und sein damals zehnjähriger Sohn setzen mussten. "Bei meiner Tochter habe ich mir nichts dabei gedacht, sie war schon 20 und wollte Medizin studieren, ich habe gesagt, sie kann bei mir üben." Das wollte das Mädchen offenbar nicht, und der Vater zeigte sich "enttäuscht". Der Bub sollte ihm ebenfalls eine Spritze geben. "Er war von klein auf immer bei den Visiten dabei", rechtfertigte sich der Beschuldigte. Gezwungen will er die Kinder nicht haben, aber "mit Nachdruck aufgefordert".

Selbstverletzungen "wie ein Ventil"

Seine zahlreichen Selbstverletzungen leugnete Eduard Lopatka gar nicht. Er schnitt sich mit dem Skalpell, stach Nadeln in alle möglichen und unmöglichen Stellen seines Körpers. Einmal rammte er sich einen Schraubenzieher in den Bauch - und machte anschließend ein Foto davon. "Ich habe mir gedacht, das glaubt mir keiner." Dann kam nach seinen Angaben seine Tochter ins Zimmer und lachte: "Geh, Papa", soll ihre ganze Reaktion gewesen sein, bevor sie den Schraubenzieher herauszog. "Sind Sie nicht erschrocken, als Sie gesehen haben, was Sie alles mit Ihrem Körper machen?", fragte der Richter. "Nein, es war für mich wie ein Ventil", antwortete Lopatka.

"Sind Sie ein guter Vater gewesen?", wollte der Vorsitzende wissen. "Materiell sicher, von der Zeit her wäre mehr gegangen", antwortete der Arzt.

Der Prozess wurde bis 26. März vertagt. Dann soll die Befragung des Arztes fortgesetzt werden, außerdem steht die Einvernahme der Kinder auf dem Programm.

(APA)

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