Höheres Unfallrisiko in Tunneln ohne Gegenverkehr

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Tunnelstudie: Gefährlichster Bereich ist mit Abstand das Tunnelportal. Auffahrunfälle kommen am öftesten vor. Ablenkung und Unachtsamkeit sind die häufigsten Ursachen.

Wie wirken sich zweite Röhren, also Tunnel ohne Gegenverkehr, auf die Sicherheit aus? Das Unfallrisiko ist bei Gegenverkehr sogar etwas geringer. Wenn es dort allerdings kracht, ist das Risiko einer Verletzung etwas höher, die Wahrscheinlichkeit zu sterben sogar dreimal größer als in Tunneln ohne Gegenverkehr. Das geht aus einer vom Verkehrsministerium durchgeführten Studie hervor.

Verglichen wurde dazu das Unfallgeschehen in Tunneln ab 500 Meter Länge im Zeitraum 2006 bis 2017. In Röhren mit Gegenverkehr ereigneten sich in diesen zwölf Jahren in Summe 216 Unfälle mit Personenschaden (durchschnittlich 18 im Jahr). Dabei gab es 460 Verunglückte (38,3 pro Jahr) und 21 Tote (1,7 pro Jahr). In Tunneln ohne Gegenverkehr wurden 812 Unfälle mit Personenschaden (67,7 pro Jahr) gezählt, bei denen 1273 Verunglückte (106 im Jahr) und 22 Tote (1,8 im Jahr) registriert wurden.

Aussagekräftiger sind die Zahlen je gefahrene Milliarde Kilometer: Hier ereigneten sich im Jahresschnitt in Tunneln mit Gegenverkehr 53,5 Unfälle, während es in Röhren ohne Gegenverkehr 60 Kollisionen gab. Dabei verunglückten im Schnitt 114 Menschen in Röhren mit Gegenverkehr, statistische 5,24 Menschen kamen ums Leben. Ohne Gegenverkehr gab es 95 Verunglückte und 1,88 Tote.

Größtes Unfallrisiko im Bereich des Portals

Erhoben wurde weiters, wo genau bei Tunnelunfällen die größte Gefahr liegt. Und hier zeigte sich ganz eindeutig, dass der größte Teil aller Kollisionen (etwas mehr als die Hälfte) im Bereich des Portals passiert, wobei das Unfallrisiko bei Tunneln mit Gegenverkehr noch einmal fast doppelt so hoch ist wie bei Röhren ohne Gegenverkehr. Das zweithöchste Risiko liegt in den ersten 150 Metern eines Tunnels, wobei es hier kaum noch eine Rolle spielt, ob Gegenverkehr besteht oder nicht. Dagegen liegt im Tunnelinneren (ab 150 Meter nach dem Portal) das Unfallrisiko nur mehr marginal höher als in den 250 Metern vor bzw. nach dem Tunnel.

Betrachtet man die verschiedenen Unfalltypen, so zeigt sich, dass auch in Tunneln mit Gegenverkehr Unfälle im Richtungsverkehr, also etwa Auffahrunfälle, am häufigsten vorkommen (rund 60 Prozent). Im Tunnelinneren ist fast jeder dritte Unfall eine Kollision mit dem Gegenverkehr. Bei Tunneln ohne Gegenverkehr sind Unfälle im Richtungsverkehr noch häufiger (72 Prozent), hier sind Alleinunfälle die zweithäufigste Unfallart (26 Prozent).

Schließlich wurden auch noch die Ursachen der Unfälle untersucht. Mehr als jedes dritte Geschehen ist auf Unachtsamkeit oder Ablenkung zurückzuführen. Zweithäufigste Ursache war zu geringer Sicherheitsabstand, wobei dies in Tunneln mit Gegenverkehr (27 Prozent) deutlich häufiger vorkam als in Tunneln ohne Gegenverkehr (17 Prozent). Bei der dritthäufigsten Ursache, der nicht angepassten Geschwindigkeit, verhielt es sich umgekehrt: Hier war dies mit zwölf Prozent in Tunneln ohne Gegenverkehr häufiger der Grund für einen Unfall als bei Gegenverkehr (sieben Prozent). Als vierthäufigster Grund wurde Übermüdung festgestellt.

Tunnel sicherer als Freilandstraßen

Die Furcht vieler Autolenker vor Fahrten durch Tunnel mag psychologisch leicht erklärbar sein, rein statistisch ist sie unbegründet: Die Wahrscheinlichkeit, in einem Autobahn- oder Schnellstraßentunnel zu verunglücken, ist in Österreich nämlich deutlich geringer als auf denselben Straßen im Freiland.

Das Ministerium hat für die Untersuchung Unfälle (mit Verletzten oder Toten) in Tunnel mit mindestens 200 Metern Länge in den Jahren von 1999 bis 2017 ausgewertet. In diesem Zeitraum sind bei 1841 Ereignissen 3170 Menschen verunglückt, 126 Personen verloren dabei ihr Leben. Auffallend ist, dass die Zahl der jährlichen Todesopfer in diesen 19 Jahren stark zurückgegangen ist, obwohl sich die Gesamtlänge aller Tunnel (ab 200 Metern) in dieser Zeit mehr als verdoppelt hat - insbesondere durch den Bau zweiter Röhren. Wurden in den ersten vier Jahren der Erhebung (1999 bis 2002) durchschnittlich noch über 15 Tote pro Jahr registriert, waren es in den letzten fünf Jahren nur mehr 2,4 statistische Tote im Jahr. Über den gesamten Untersuchungszeitraum betrug die jährliche Zahl der Todesopfer im Schnitt sieben.

Schnellstraßen am gefährlichsten

Ausgewertet wurde in der Ende November 2018 fertiggestellten Studie auch der Vergleich des Unfallrisikos zwischen Autobahn und Schnellstraße (jeweils Freiland) sowie Tunnelstrecken. Dabei zeigte sich, dass sich bei einer Milliarde gefahrener Kilometer im Schnitt 85 Unfälle mit Verletzten auf den Autobahnen ereigneten, auf den Schnellstraßen war es ein Unfall mehr, in den Tunnelabschnitten lag diese Zahl mit 67 aber deutlich niedriger. Bei diesen Kollisionen verunglückten 137 Menschen auf der Autobahn, 127 auf der Schnellstraße und 115 im Tunnel.

Etwas anders verhält es sich bei den Todesopfern: Je gefahrene Milliarde Kilometer kamen auf Autobahnen statistisch 3,42 Menschen ums Leben, auf Schnellstraßen 5,34 und in einem Tunnel 4,58. In der Studie wird die vergleichsweise hohe Rate an Getöteten auf den Schnellstraßen mit den vielen Gegenverkehrsbereichen ohne baulichen Trennung begründet.

Auch beim Anteil der Schwerverletzten schneiden die Schnellstraßen am schlechtesten ab, während die Autobahnen und Tunnel hier bis auf wenige Zehntelprozentpunkte denselben Anteil haben. Mehr als drei Viertel aller Verunglückten (76 Prozent) überstehen einen Unfall mit Personenschaden im Tunnel mit leichten Verletzungen, auf Autobahnen sind es 73,4 Prozent, auf Schnellstraßen 70,5 Prozent.

Der überwiegende Teil aller Tunnelunfälle endet übrigens zum Glück nur mit Blechschaden: Von 4365 Unfällen, die sich von 2006 bis 2017 in Tunneln ab 500 Metern Länge ereignet haben, blieb es bei 3298 beim Sachschaden (76 Prozent), bei 970 gab es Verletzte oder Tote (22 Prozent), 106 Mal begannen Fahrzeuge zu brennen (zwei Prozent).

(APA)

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