Industrie wünscht sich „mehr Mut“ bei Steuerreform

IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine drastische Senkung der Körperschaftsteuer würde die Konjunktur beleben, betont die Industriellenvereinigung.

Wien. Die deutsche Regierung erwartet für heuer nur ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent, nach plus 1,4 Prozent 2018. So drastisch fällt die Konjunkturflaute hierzulande nicht aus, aber die Industriellenvereinigung (IV) rechnet – wie die Wirtschaftsforscher – auch nur mit einem BIP-Wachstum von rund 1,5 Prozent. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer und -Chefökonom Christian Helmenstein sehen in der „Ernüchterung“, die sich in den vorigen Umfragen zum Konjunkturbarometer abgezeichnet hat, den Handlungsauftrag für politische Reformen.

Der „optimale Hebel“, um die Konjunkturflaute zu überwinden, sei eine „ausgewogene, faire Steuerreform, von der Menschen und die Unternehmen profitieren“, so Neumayer. Da sei man mit der Politik und Arbeitnehmervertretern einig. Zahlen wollte er nicht nennen, aber im Hinblick auf die von der Regierung angepeilte Entlastung von sechs bis sieben Mrd. Euro meinte Neumayer: „Man sollte mutig sein, signifikante Senkungen vornehmen und Selbstfinanzierungseffekte bedenken.“

Neumayer verwies in diesem Zusammenhang auf das Lieblingsthema der Industrie, die Senkung der Körperschaftsteuer (KÖSt) von derzeit 25 Prozent. Österreich liege damit weit über dem EU-Schnitt von 21,9 Prozent. Bei einer linearen Absenkung spricht die IV von „unter 20 Prozent, am besten einem Einser davor“. Die andere Variante sei die Halbierung des Steuersatzes für einbehaltene Gewinne auf 12,5 Prozent. Neumayer erinnerte daran, dass es nach der letzten KÖSt-Senkung im Jahr 2005 (von 34 auf 25 Prozent) Steuermehreinnahmen gab, weil der Stimulierungseffekt für die Wirtschaft so groß gewesen sei.
Was den Kapitalmarkt betrifft, brachte Neumayer – wie zuvor das Aktienforum und Anlegerschützer Wilhelm Rasinger – die Spekulationsfrist ins Spiel. Damit würden Aktien länger gehalten.

Qualifizierte Zuwanderung

Das zweite wichtige Thema im Zusammenhang mit der Konjunkturbelebung ist der Fachkräftemangel. Die IV fordert ein Zuwanderungsgesetz, das qualifizierten Menschen hierzulande den Start rasch ermögliche. „Da kann auch drinstehen, was wir nicht brauchen“, betonte Neumayer. Es gelte aber auch, Arbeitskräfte in Österreich zu halten und die Weiterwanderung zu verhindern, setzte Helmenstein nach.

Der Ökonom stellte in diesem Zusammenhang eine interessante Rechnung auf: Ein Grund, warum Deutschland deutlich geringere Wachstumsraten aufweise, sei, dass das Nachbarland an der Grenze seines Arbeitskräftepotenzials angelangt sei. Deutschlands Bevölkerung sei zehn Jahre älter. Dem Land fehlten daher in den kommenden zwölf Jahren rund fünf Millionen Arbeitnehmer. In Österreich gebe es insgesamt rund vier Millionen Arbeitnehmer. Da ortet Helmenstein eine Bedrohung in Form einer Sogwirkung auf Arbeitnehmer aus Österreich. Denn: „Die Joblücke betrifft nicht den Norden, sondern Bayern und Baden-Württemberg.“

Neben geopolitischen Wirren und dem Fachkräftemangel hätten in Deutschland auch Sondereffekte die Flaute verursacht: Der neue Abgastestzyklus habe Autos nicht verfügbar gemacht und zu einem „Zwangssparen“ bei Haushalten geführt. Zudem habe das Niedrigwasser des Rheins negativ auf die chemische und pharmazeutische Industrie gewirkt. Zudem kosteten Bahn- und Luftfahrtstreiks Wachstum. Dadurch habe das deutsche BIP im zweiten Halbjahr drei Prozentpunkte Wachstum eingebüßt.

Österreich profitiert auch von der starken Verflechtung mit den zentral- und osteuropäischen Ländern (CEE) – in der Krise sei dies ein Nachteil gewesen. Jetzt wachsen die CEE-Staaten jährlich um 1,5 Prozentpunkte schneller als die Eurozone. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2019)

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