Höchstgericht kritisiert geplante Tierhalter-Haftung scharf

Archivbild aus dem Karwendel in Tirol
Archivbild aus dem Karwendel in Tirol(c) Getty Images (Sean Gallup)
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Die vorgeschlagene Neuregelung, die nach einem Schadenersatz-Urteil gegen einen Bauern auf den Weg gebracht wurde, führe "in keinem Punkt zu einem Gewinn an Rechtssicherheit", so der OGH in einer Stellungnahme.

Die nach dem Schadenersatz-Urteil wegen einer tödlichen Kuhattacke von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetzesänderung zur Tierhalterhaftung stößt auf scharfe Kritik des Obersten Gerichtshofs (OGH). Dieser erklärte in einer Stellungnahme zum Entwurf, dass die vorgeschlagene Neuregelung "in keinem Punkt zu einem Gewinn an Rechtssicherheit" führt, sie werfe vielmehr neue Probleme auf.

"Damit stellt sich die Frage nach ihrem rechtspolitischen Sinn. Ist es tatsächlich angebracht, eine bewährte, durch höchstgerichtliche Rechtsprechung konkretisierte Norm mit weitwendigen, aber keinen erkennbaren Mehrwert aufweisenden Formulierungen aufzuladen, nur weil das möglicherweise einer medial geschürten Erwartungshaltung entspricht", hieß es weiters in der auf der Parlamentshomepage veröffentlichten Stellungnahme des OGH. Die Bundesregierung habe sich dazu bekannt, Gesetze "einfacher, klarer und für die Bürgerinnen und Bürger verständlicher zu machen". "Die beabsichtigte Ergänzung von § 1320 ABGB verwirklicht dieses Ziel jedenfalls nicht", lautete das negative Fazit.

OGH sieht bereits "für den Kernbereich der Almwirtschaft Rechtssicherheit"

Der Oberste Gerichtshof ortete keinen Regelungsbedarf. Aufgrund der Rechtsprechung des OGH bestehe "für den Kernbereich der Almwirtschaft Rechtssicherheit" - das bedeute "keine Pflicht zur Einzäunung, wohl aber gegebenenfalls zur Aufstellung von Warntafeln". Weitergehende Pflichten könnten zwar ausnahmsweise bestehen, so der OGH weiters. Solche Ausnahmefälle könnten aber - wie auch sonst im Schadenersatzrecht - von der Rechtsprechung bewältigt werden. "Dennoch schlägt der Entwurf aufgrund eines erstinstanzlichen Urteils, das offenkundig zu einem solchen Ausnahmefall ergangen ist, eine Ergänzung von § 1320 ABGB vor. Tragfähige Gründe sind dafür nicht zu erkennen", hieß es in der Stellungnahme.

Sauer stieß dem OGH unter anderem die Bezugnahme auf die "erwartbare Eigenverantwortung" der Besucher von Almen und Weiden in dem Entwurf auf. Die Bestimmung könnte dahin ausgelegt werden, dass eine sonst bestehende Haftung des Tierhalters entfällt, wenn der Geschädigte die "erwartbare Eigenverantwortung" nicht wahrnimmt. Dies verstoße allerdings gegen Grundsätze des Schadenersatzrechts, das bei einem Mitverschulden in der Regel eine Schadensteilung und nicht einen vollständigen Haftungsentfall vorsieht.

Kritik auch vom Oberlandesgericht Wien

Ähnlich scharfe Kritik äußerte indes auch das Oberlandesgericht Wien in seiner Stellungnahme im Rahmen der am Freitag zu Ende gehenden Begutachtung. Grundsätzliche Zustimmung kommt hingegen unter anderem von den Naturfreunden sowie von der Landwirtschaftskammer. Beide regen jedoch einige Verbesserungen an.

Die Kammer bemängelt etwa, dass keine Änderung der geltenden Beweislastverteilung hinsichtlich der Haltung von Tieren im Rahmen der Alm- und Weidewirtschaft vorgesehen ist. Zudem tritt die Landwirtschaftskammer für ein Inkrafttreten des Entwurfs bereits mit 1. Mai ein, und nicht erst mit 1. Juni. Schließlich würden zahlreiche Almen bereits im Mai bestoßen.

Zivilprozess als Auslöser

Auslöser für die Gesetzesänderung war ein Zivilprozess gegen einen Landwirt. Am 28. Juli 2014 war im Tiroler Pinnistal eine 45-jährige Deutsche, die mit ihrem Hund unterwegs war, von Kühen zu Tode getrampelt worden. Nach jahrelangem Rechtsstreit erging im Februar das Urteil, wonach der Bauer dem Witwer und dem Sohn rund 180.000 Euro sowie eine monatliche Rente zahlen muss, da er seine Tiere entlang des Weges nicht eingezäunt hatte. Das erstinstanzliche Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Tiroler Landwirt ging dagegen in Berufung. Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer, möchte erst den Gerichtsprozess abwarten, bevor entschieden wird, ob und wie dem Landwirt beigestanden werden könnte

(APA)

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