Kirchen-Entschädigung: 25.000 Euro für schweren Missbrauch

KirchenEntschaedigung 25000 Euro fuer
KirchenEntschaedigung 25000 Euro fuer(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
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Klasnic sieht einen „großen Schritt“ – Experte Kletečka übt Kritik. Die Plattform Betroffene kirchlicher Gewalt lehnt die Entschädigungssätze ab und verlangt Entschädigungen in "angemessener Form".

WIEN. „Das ist ein großer Schritt, den die Kirche gegangen ist. Wenn das mickrig ist...“ So kommentiert Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic am Freitag im Gespräch mit der „Presse“ die Entscheidung über die Höhe der Entschädigungszahlungen, die die katholische Kirche für Opfer sexueller Gewalt bezahlen will.

Wie es im Entschädigungsmodell heißt, sollen „für Fälle von über mehrere Jahre hinweg fortgesetztem Missbrauch mit Verletzungsfolgen und/oder fortdauernden seelischen Schmerzen“ 25.000 Euro ausbezahlt werden, 5000 Euro für leichte Fälle, 15.000 für mehrfache Übergriffe über einen längeren Zeitraum oder eine geringe Zahl schwerwiegender Übergriffe unter Gewalteinwirkung. Und das Modell sieht auch noch einen letzten Punkt vor, der betragsmäßig nach oben offen gelassen wurde: Entschädigungen „in besonders extremen Fällen“. Ursprünglich wollte die Kommission dafür 50.000 bis 60.000 Euro als maximale Höhe vorsehen. Jedenfalls kommt in allen Fällen die Bezahlung einer allfälligen Therapie hinzu. Diese kann die am Freitag festgesetzten Sätze für Zahlungen, die sich als eine Art Schmerzengeld verstehen, um ein Vielfaches übertreffen. Einer der Opferanwälte, Georg Zanger, wurde von der Kommission am Freitag zu Rate gezogen. Ein anderer, Werner Schostal, verschickt an Opfer Vollmachten. Darin wird festgehalten, dass 30 Prozent von allfälligen Entschädigungen für den Verein Betroffene kirchlicher Gewalt einbehalten werden. Ein Sprecher der Kanzlei begründet dies so: Das einbehaltene Geld solle Kosten für Hotline und rechtliche Unterstützung abdecken sowie in einen Fonds zur Bearbeitung neuer Fälle fließen.

Laut Angaben von Opferschutzanwältin Klasnic ist mittlerweile ohne Anwälte schon erstes Geld geflossen. An drei Personen wurden bereits Beträge unter dem Titel Soforthilfe ausbezahlt. Über die Höhe wollte sie keine Angaben machen. Klasnic: „Das ist eine freiwillige Leistung der katholischen Kirche. Jeder ist eingeladen, sich anwaltschaftlich zu erkundigen. Leider gibt es in vielen Fällen überhaupt keinen Anspruch auf Zahlungen.“

Nicht großzügig?

Davon, dass die Entschädigung der katholischen Kirche über den durchschnittlichen staatlichen Sätzen liegt, kann aus Sicht von Fachleuten keine Rede sein: „Großzügig würde ich das Angebot jedenfalls nicht nennen“, sagt Andreas Kletečka, Schadenersatzexperte an der Uni Salzburg auf Anfrage der „Presse“. So liegen jene 25.000 Euro Schmerzengeld, die die Kirche für jahrelangen „Missbrauch mit Verletzungsfolgen und/oder fortdauernden seelischen Schmerzen“ zahlen will und die de facto die Obergrenze darstellen, deutlich unter den 65.000 Euro, die 2003 als höchster Betrag für Missbrauch zugesprochen wurden. Wobei damals das Opfer (der Täter stammte aus dem Familienkreis) körperlich nicht verletzt wurde. Für mit Gewalt verbundenen Missbrauch wurde schon wesentlich mehr gezahlt, 125.000 Euro im Jahr 2005 – hier war das Opfer gefoltert worden. Zwar sehen die Richtlinien vor, dass man in „besonders extremen Einzelfällen“ höhere Entschädigungen leisten will. Aber, so Kletečka: „Vermutlich geht man im 10.000er-Schritt vor.“ Was bedeutet: Das Maximum liegt bei etwa 35.000 Euro – also bei etwas mehr als der Hälfte des höchsten Schmerzengeldes für Missbrauch. In der Praxis wird wichtig sein, wie die Begriffe des Entschädigungsmodells ausgelegt werden. Einiges wie „Missbrauch ohne überschießende Gewalt“ sei unscharf formuliert, so Kletečka.

(c) APA

Die Plattform Betroffene kirchlicher Gewalt lehnt die Entschädigungssätze ab: „Die Kirche wird keinen Frieden finden, ehe sie nicht für Verbrechen in angemessener Form Entschädigung leistet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2010)

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