Kloster vor dem Aus: Die letzten Kapuziner

(c) Georgia Meinhart
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Morsche Bäume, feuchte Mauern: Das Kloster Ried in Oberösterreich schließt seine Türen. Der Orden hat den Standort nach 366 Jahren aufgegeben, der Betrieb habe sich nicht mehr länger aufrecht erhalten lassen.

RIED. Wie alt die Bäume im Klostergarten waren, als sie schließlich gefällt werden mussten, weiß Pater Berthold nicht mehr so genau. 30, 40, 50 Jahre? Vielleicht noch älter? „Ist auch nicht so wichtig. Es war halt der Wurm drin, alles morsch“, sagt der 81-jährige Kapuzinermönch, der dieser Tage zusammen mit seinen fünf noch verbliebenen Mitbrüdern das Kloster in Ried für immer verlässt. Der Orden hat den Standort nach 366 Jahren aufgegeben, der Betrieb habe sich nicht mehr länger aufrecht erhalten lassen: „Wir sind hier ja alles alte Leute“.

An der Pforte zum Kloster, was eigentlich soviel wie „verschlossener Ort“ bedeutet, steht die Tür offen, ein schmaler Gang führt zum Refektorium, in dem die betagten Mönche Platz genommen haben. Das Telefon klingelt ständig. Einer möchte beichten, jemand braucht die Krankensalbung, viele wollen sich persönlich verabschieden.

Wer den Kapuzinern folgt, ist noch nicht entschieden: rund 4000 Unterschriften mit der Bitte um Weiterführung wurden gesammelt und bereits dem Linzer Bischof übergeben. Aber nicht jeder ist dem hiesigen Kirchenvolk willkommen: der Einzug der erzkonservativen Franziskaner der Immakulata, die Messen nach dem Alten Ritus feiern und Geschiedenen die Kommunion verweigern, scheint vom Tisch zu sein. Die Diözese habe bereits abgewinkt. In Ried, so hört man, ist man froh darüber. „Wir verstehen Seelsorge eben als Dienst am Menschen“, erklärt Pater Berthold. Innerhalb der katholischen Kirche vermisst der liberale Kirchenmann dennoch Toleranz – „auch den konservativen Kräften gegenüber“.

„Schon“, sagt Guardian Pater Helmuth, der das Kloster leitet und neben seinem Mitbruder am langen Refektoriumstisch Platz nimmt: „Aber eins sag' ich dir: der Lefèbre ist ein gefährlicher Typ. Da hat die Toleranz bei mir ein Ende.“ Es sei ein Fehler gewesen, dass Anfang des vergangenen Jahres die Lefèbre-Bischöfe und ihre Piusbruderschaft, darunter Holocaust-Leugner Richard Williamson, in die katholische Kirche zurückgeholt wurden, urteilt der 73-Jährige.

Das von der Kirchenleitung vertretene Gottes- und Menschenbild müsse zudem verändert werden, findet er: „Die Menschen können mit einer ,Führe mich aus dem Kerker'-Lehre nichts mehr anfangen. Da muss man neue Wege finden.“ Neue Wege bräuchte es auch, um Nachwuchs für die Kapuziner, die sich zu Armut verpflichten und im Laufe ihres Lebens mehrmals versetzt werden, zu rekrutieren: „In Europa ist es eher kein sozialer Aufstieg, wenn man in einen Orden eintritt.“

Substandard im Kloster

Für das Kloster in Ried haben sich indes auch die Karmeliter interessiert, sagt Pater Berthold: „Es waren Vertreter des Ordens da, aber die haben gesehen, was alles zu renovieren wäre und sind dann von dem Vorhaben abgekommen. „Eigentlich ist das hier Substandard: die veralteten Bäder und Toiletten sind noch auf dem Gang, einige Mauern sind feucht, die Heizkosten sind hoch. Diese großen Gebäude aus vergangenen Zeiten, in denen man sich keine Sorgen um den Nachwuchs machen musste, sind nun zu einer Belastung geworden.“ Pater Helmuth wird nun in das Kapuzinerkloster Klagenfurt versetzt. „Ich hoffe, dass das nicht wieder ein Kloster ist, das aufgehoben wird.“ Schließlich habe er das schon vier Mal miterlebt: in Feldkirch, in Kitzbühel, in Braunau und nun in Ried: „Zum Glück weiß man ja nicht, was alles auf einen zukommt, wenn man eintritt“, sagt er, über den Refektoriumstisch gelehnt und verschränkt die Arme über dem Oberkörper, der in einem blauen Pullover steckt.

Der braune Habit, die traditionelle Kleidung mit der großen Kapuze, enge ihn ein, einmal habe er, wie er zwischen zwei Prisen Schnupftabak sagt, „wegen dem G'schlampert“ beinahe einen Autounfall erlitten. Seitdem verzichtet der gebürtige Bayer darauf. Was die Leute ob dieser Verweigerung denken, sei ihm „wurscht“.

Er hat andere Sorgen: die letzte Stromabrechnung, die Übergabe der Schlüssel. Für die Bewohner des Klosters, des „verschlossenen Orts“, ist es Zeit, aufzubrechen und Abschied zu nehmen: Pater Alfred (76) bleibt noch ein Jahr in der Krankenhausseelsorge des Spitals Ried, Pater Berthold wird als Seelsorger im Kloster St. Anna eingesetzt. Bruder Edilbert (77), Bruder Dismas (73) und Bruder Josef (75) ziehen in ein Ordensaltenheim im oberen Inntal in Tirol.

Auf einen Blick

Der Kapuzinerorden leidet an Nachwuchsmangel und gibt das Kloster in Ried auf. In der öster-reichischen Provinz gibt es noch 85 Brüder des franziskanischen Bettelordens, weltweit sind es rund 11.000. Das Kloster, dessen Grundstein 1644 gelegt wurde, fällt nun an die Diözese Linz zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2010)

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