Ein Pass für Künstler, ein Vorteil für die Oper

Wiens Ex-Opernchef Ioan Holender kam einst selbst aus Rumänien nach Österreich – und erinnert sich an die Einbürgerung von Anna Netrebko.

„Bei mir?“, fragt Wiens langjähriger Staatsopern-Direktor, Ioan Holender, auf die Frage, wie es einst bei ihm zur Verleihung der Staatsbürgerschaft gekommen sei. „Bei mir ging das so: Als ich nach Österreich kam, bekam ich sofort Papiere ausgehändigt und bald den sogenannten Nansen-Pass. Das war ein Dokument, mit dem man zwischen allen Ländern reisen konnte, die das entsprechende Abkommen unterzeichnet hatten.“

So gelangte der junge Mann aus Rumänien zum Beispiel nach Italien: „Ich kam auf diese Weise das erste Mal nach Verona, was zuvor ein völlig unerreichbares Ziel für mich gewesen war.“ Fünf Jahre hat es dann gedauert, bis Holender zum Österreicher wurde. „Nach dieser Frist durfte ich ansuchen und bekam die Staatsbürgerschaft. Und das war damals wirklich etwas. Für mich hat das bedeutet: Du hast es geschafft.“

Holenders darauffolgender Aufstieg vom Jungbariton und Tennislehrer zum bald schier allmächtigen Künstleragenten und zuletzt (1992) zum Staatsopern-Direktor ist oft – auch von ihm selbst – erzählt worden.

In den Jahren seines Amtes im Haus am Ring ist er dann des Öfteren mit dem Wunsch prominenter Künstler konfrontiert worden, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Im Falle von Künstlern wie Anna Netrebko oder des Tenors Johan Botha, der aus Südafrika nach Europa kam, hat er sich auch tatsächlich dafür starkgemacht, dass die Staatsbürgerschaft möglichst rasch und unbürokratisch verliehen werden konnte: „Für die Netrebko“, erinnert er sich, „habe ich beim damaligen Bundeskanzler Schüssel und bei etlichen anderen Politikern interveniert.“

Wobei die in der Praxis des Opernbetriebs wichtigste Begründung für den Wunsch, Österreicher zu werden, mit Formalitäten zu tun hat. Holender: „Es geht, kurz gesagt, auch um die Annehmlichkeiten der Reisefreiheit. Wer, wie Anna Netrebko damals, in Russland daheim ist, muss ja für jedes Engagement in Europa erneut um ein Visum ansuchen und hat ständig mit Behörden zu tun. Das fällt natürlich nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft weg.“

„Selbstverständlich“, sagt Holender, „waren diese Verleihungen, um die ich mich bemüht habe, immer im Interesse der Wiener Staatsoper.“ Was dem Haus dient, einem Aushängeschild des Landes, dient damit wohl auch Österreich. „Ich habe damals“, erinnert sich der Opernchef, „zum Beispiel mit Anna Netrebko ausgemacht, dass sie bei uns drei Spielzeiten lang für die vereinbarte Gage auftritt. Das hat sie dann auch eingehalten.“ Da war sie bereits ein Weltstar und verdiente anderswo weit höhere Summen.

Im Fall des Tenors Johan Botha verhält sich die Sache ähnlich. Auch ihn braucht ein Intendant heutzutage als den herausragenden Repräsentanten des heldischen Wagner-Fachs. „Ich kann mich gut erinnern“, erzählt Holender, „wie das war, als er bei uns vorgesungen hat: Es war sofort klar, dass dieser Mann aus Südafrika eine Weltkarriere machen würde. Wir haben ihn gleich zu einem Debüt in Puccinis Bohème an der Volksoper verpflichtet. An das hohe C im Pianissimo erinnere ich mich bis heute!“

Dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft auch in solchen künstlerischen Ausnahmefällen keine Selbstverständlichkeit ist, weiß Holender nur allzu gut: „Botha habe ich die Nachricht damals persönlich nach Haus überbracht.“

Wobei Holender der Meinung ist, dass es völlig legitim sei, für wichtige Künstler in dieser Sache zu intervenieren: „Wenn es einer Institution wie der Staatsoper nützt, dann sehe ich überhaupt kein Problem darin. Im Gegenteil. Es geht ja wohl nur darum, dass sich nicht jemand selbst bereichert...“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2011)

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