Das ländliche Bobostan

Das Waldviertel zieht Intellektuelle an.

Gibt es eine ländliche Entsprechung zum städtischen Ideal der Dachgeschoßwohnung am Spittelberg oder im Karmeliterviertel, so ist das in den vergangenen Jahren eindeutig ein alter Bauernhof im Waldviertel oder westlichem Weinviertel. Vor allem unter Vertretern der Intellektuellen und der sogenannten kreativen Berufe hat sich das nordwestliche Niederösterreich zum wahren Dorado entwickelt. Das mag, wie Kolumnistin Doris Knecht schrieb, an der archaischen Kultur und der relativen Ursprünglichkeit liegen, die sich das Viertel bewahrt hat. „Es ziert sich wie störrische, unnahbare, introvertierte Schöne.“ Das mag einfache wirtschaftliche Gründe haben.

Denn gerade dort, wo der Eiserne Vorhang lange die Zeit scheinbar hat stillstehen lassen, wo viele Bewohner mangels Perspektiven die Flucht ergriffen haben, gibt es die größten Chancen, vergleichsweise günstig einen Grund zu mieten oder zu kaufen. Noch. Denn pro Jahr ziehen rund 1300 Menschen aus Wien hierher, wie es sich die Initiative „Wohnen im Waldviertel“ stolz an die Fahnen heftet. Dabei geht es um Prominente wie Knecht oder auch „Falter“-Chefredakteur Armin Thurnher, der sich in Oberhöflein sogar ein Schloss leistet. Aber auch um Menschen, die einen alten Bauernhof kaufen und ihn zu ihrer Lebensgrundlage machen. So wie Andrea und Severin Heinisch, die vor sieben Jahren nach St.Leonhard am Hornerwald gingen und hier den „Moosauer Hof“ zum Energiezentrum mit eigener Imkerei, Salbenproduktion und Fischzucht aufgezogen haben.


Botschafter des Waldviertels. Sohn Simon Heinisch sorgt schließlich dafür, dass das Waldviertel auch wieder etwas an Wien zurückgibt – mit einem Spezialitätengeschäft in der Wiener Innenstadt, das im März 2011 eröffnet hart und in dem unter anderem die Produkte vom Hof im Waldviertel vertrieben werden. Prompt machte ihn die Initiative „Wohnen im Waldviertel“ zum Waldviertel-Botschafter, der Interessierten erste Hilfe beim geplanten Ortswechsel in den Norden leisten soll. Denn Zuwachs braucht das Waldviertel in jedem Fall – weil der Wanderungssaldo nach wie vor ein negativer ist. Daran können auch die Städter nicht viel ändern, die sich in den leer stehenden Bauernhäusern einnisten – und dort den Traum des Städters vom Land leben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.