Aussagen von Franz Kröll, dem verstorbenen Chefermittler im Fall Kampusch, erweisen sich nun als brisant. Die FPÖ fordert einen U-Ausschuss.
Wien. Infolge der kürzlich erfolgten Einstellung des Amtsmissbrauchsverfahrens gegen fünf ehemalige Staatsanwälte, die im Entführungsfall „Natascha Kampusch“ ermittelten, kocht der Fall wieder hoch: Am Dienstag griff FP-Chef Heinz-Christian Strache die Justiz frontal an. Und forderte einen parlamentarischen U-Ausschuss zum Fall Kampusch. Auch einige – der „Presse“ vorliegende – Aussagen von Polizeioberst Franz Kröll erweisen sich nun als brisant. Kröll schied Ende Juni 2010 aus dem Leben.
Kröll (sein Selbstmord wird von manchen angezweifelt, Strache: „Vielleicht gab es den Auftrag, einen unliebsamen Polizisten zu beseitigen.“) zeichnete im Zuge der intensiven Ermittlungen seines fünfköpfigen Grazer Beamtenteams ein Telefonat mit einem deutschen Journalisten auf. Dabei wurde – im Gegensatz zur offiziellen Ein-Täter-These (Entführer Wolfgang Priklopil beging nach Kampuschs Flucht Selbstmord) – über mögliche mächtige Hintermänner bzw. Mittäter der Entführung gesprochen. Kröll schien auch diese Tatversion durchaus ernst zu nehmen, verglich er den Fall „Kampusch“ doch mit der seinerzeitigen Affäre „Lucona“.
„Alle Beweise verschwinden“
Kröll laut der Gesprächsaufzeichnung: „Wenn wir den kleinsten Fehler machen, wird dieses Netzwerk tätig.“ Weiter befürchtete der Kriminalist, „dass das Netzwerk agiert“ – sofern es von den diesbezüglichen Ermittlungen Wind bekäme. In dem Fall sei zu befürchten, „dass alle Beweise verschwinden – und wir laufen auf“. Und: „Wir lassen nicht zu, dass diese Leute hinausschlüpfen, nur weil sie sich's wieder richten.“
Strache griff nun Krölls Zweifel an der Ein-Täter-These auf und meinte: „Offenbar haben mächtige Kreise im Bereich der Justiz eventuell kein Interesse, den Fall aufzuklären.“ Justizministerin Beatrix Karl (VP) sei „völlig überfordert“, die eingangs erwähnten Kampusch-Staatsanwälte seien „unfähige Dilettanten“. Auch der Frage einer möglichen Schwangerschaft des Opfers Natascha Kampusch müsse laut FPÖ nachgegangen werden. Kampusch hatte nach ihrer Flucht den Amtsarzt gefragt, wie lange eine Schwangerschaft nachzuweisen sei. Dies wurde damals auch vom Arzt zu Protokoll gegeben.
Der Forderung nach einem eigenen Kampusch-U-Auschuss erteilten SPÖ und ÖVP am Dienstag eine klare Absage. Der Fall wird nun aber, wie berichtet, vom – streng geheim tagenden – Unterausschuss des parlamentarischen Innenausschusses noch einmal geprüft werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2011)