Mutbürger: Rückzug der Gründerin Anneliese Rohrer

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Anneliese Rohrer sieht ihre Aufgabe in der Mutbürger-Bewegung als erledigt. Nach einem Jahr wird noch viel geredet – und wenig gemeinsam geschafft. Rohrer wird in Zukunft als Moderatorin zur Verfügung stehen.

Wien. Wenigstens haben sie alle Spaß. Das Burg Kino ist voller Menschen, der Großteil sichtlich über fünfzig Jahre alt, sie reden aufgeregt miteinander, gestikulieren, stellen sich vor und fühlen sich – es ist nicht zu übersehen – wirklich, wirklich wichtig.

Am Montagabend fand das Jahrestreffen von Anneliese Rohrers Mutbürger-Stammtisch statt. Eine Bewegung, die die frühere langjährige Ressortchefin und heutige Kolumnistin der „Presse“ vor einem Jahr ins Leben gerufen hat, und die seither versucht, den Frust ihrer Teilnehmer in eine schlagkräftige Bürgerbewegung zu verwandeln. Freilich, ganz perfekt ist das noch nicht gelungen.
Es habe zu Beginn ein Missverständnis gegeben, sagt Rohrer in ihrer Bilanzrede. Die Leute seien zu ihr gekommen, um bei ihrer Bewegung mitzumachen. „Aber ich habe immer gesagt: Sie missverstehen da etwas. Ich mach' gar nichts. Sie machen.“

Und das haben viele der etwa 80 Personen im Raum – nach teilweise sehr mühsamen Sitzungen – dann auch getan. Neue Initiativen wurden gegründet, bereits bestehende gefördert. Etwa die Aktion 21, eine Plattform für Bürgerinitiativen, eine Onlinepartei, die mit einem Onlinetool die direkte Demokratie fördern will, oder Vertreter der Initiative „Mein OE“. Und hier zeigt sich das Problem, auf das Rohrer in teils ironischen, teils scharfen Kommentaren immer wieder hinweist: Alle wollen gemeinsam etwas tun, aber niemand tut etwas tatsächlich. Dafür ist die Bühne voll von Selbstdarstellern, die viel über direkte Demokratie, die Schlagkraft des Volkes und die Korruption der Politiker zu sagen wissen. Sehr viel. Jeder für sich. Niemand gemeinsam. Lieber werden ähnliche Projekte präsentiert. „Ich versteh nicht, warum die Leute nicht alle bei uns mitmachen“, sagt Herta Wessely von der Aktion 21 nach der Veranstaltung. „Ich kann mich bei den anderen nicht wiederfinden“, erklärt ein Mann, warum er eine eigene Partei gegründet hat (die sich übrigens für mehr direkte Demokratie einsetzt). Auch wenn er überzeugt ist, dass alle an einem Strang ziehen müssen. Kurz davor hat er noch als Zuseher die Projekte kritisiert und ein wenig an Politiker im Nationalrat erinnert, die einander gegenseitig verbal attackieren.

„Ich bin überflüssig geworden“

„Vernetzen Sie sich“, ist dann auch der Aufruf Rohrers. Was es brauche, sei mehr Aktionismus. Ein Flashmob vor dem Parlament zum Beispiel, nicht neue Parteien. „Es muss ja nicht immer das Rad neu erfunden werden“, sagt sie nach der Veranstaltung.

Trotzdem sieht sie ihre Aufgabe als getan. „Ich bin überflüssig geworden, und das ist gut so.“ Wer weiter Mutbürger sein will, der könne das bei den zahlreichen Initiativen, unter ihnen etwa die Mutbürger Wien, Niederösterreich und (sehr erfolgreich) Kärnten, tun. Rohrer wird in Zukunft als Moderatorin zur Verfügung stehen.

„Mal sehen, ob sie sich vernetzen“, sagt sie zum Abschluss. Die Chance besteht. Auch nach Ende der Veranstaltung sind noch viele da. Sie gestikulieren und präsentieren sich. Sie wollen etwas ändern. Immerhin, zumindest beim Reden darüber ist der Enthusiasmus groß.

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