Passivrauch: 1000 Herzinfarkte pro Jahr

(c) EPA (Barbara Walton)
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Österreichische Wissenschaftler fordern strengeren Schutz der Nichtraucher im neuen Tabakgesetz.

Der Onkologe würde dem frisch operierten Lungenkrebspatienten am liebsten den Vogel zeigen, wenn er fragt: „Kann ich jetzt wieder in Lokale, Bars und Beisln gehen?“ Die Gefahr, dass eine verrauchte Umgebung die Krebsbildung fördert, sollte jedem bewusst sein. Trotzdem ringt sich die heimische Gesetzgebung nicht zu einem allgemeinen Rauchverbot in öffentlichen Räumen durch. „Ich rate allen Menschen – auch gesunden – davon ab, sich in Räumen mit Passivrauch aufzuhalten“, sagt Gerald Maurer, Leiter der Kardiologie am Wiener AKH.

Gemeinsam mit der Kommission für Reinhaltung der Luft (ÖAW) weist Maurer darauf hin, dass die Tabakgesetznovelle, die am 30.April im Ministerrat präsentiert wurde, nicht dem Stand der Wissenschaft entspricht. Die Regelung sieht vor, dass Gaststätten unter 50 Quadratmeter frei wählen können, ob sie sich als Raucher- oder Nichtraucherlokal deklarieren und dass mittelgroße Lokale eine räumliche Trennung vornehmen sollen, dies aber nicht müssen, wenn es mit „unvertretbarem wirtschaftlichen Aufwand“ einhergehen würde. Nur Gaststätten mit mehr als 80 m2 sind verpflichtet, Raucher von Nichtrauchern räumlich zu trennen. „Die Details werden noch verhandelt“, weiß Manfred Neuberger, Leiter der Präventivmedizin der Medizinischen Uni Wien: „Ich hoffe, dass ein Kinderverbot in Raucherzimmern eingeführt wird.“

Passivrauch: Krebsgefahr und Herzinfarkt

Neuberger fordert ein zeitgemäßes Tabakgesetz, das den Nichtraucherschutz nach wissenschaftlichen Kriterien festlegt. Denn er kennt die Studien, die das Krebsrisiko durch Passivrauch bestätigen: „Nach acht Jahren im Gastgewerbe verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit der Angestellten, an Lungenkrebs zu erkranken. Auch das Risiko für Brust- und Nebenhöhlenkrebs ist bei Passivrauchern erhöht.“

Auch viele andere gesundheitliche Schäden sind auf die Schadstoffe aus Zigarettenrauch zurückzuführen: „Schon nach 30 Minuten in einem verrauchten Raum zeigten junge, gesunde Nichtraucher schwerwiegende Veränderungen der Blutgefäße.“ Die Folge derartiger Veränderungen der Arterienwand (Endothel) ist Arteriosklerose, eine Gefäßwandverkalkung, die als Hauptursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Herzinfarkt führen kann. „Nimmt man Statistiken der Länder, die bereits das Rauchverbot durchgesetzt haben und rechnet diese für Österreich hoch, zeigt sich, dass man 1000 Herzinfarkte pro Jahr vermeiden könnte“, sagt der Kardiologe Maurer. Im Vergleich zu 100 Lungenkrebs-Patienten weniger pro Jahr, von denen man nach einem Rauchverbot ausgeht, ist die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Zusammenhang mit Passvirauch bedenklich hoch. „Der Zusammenhang ist offensichtlich: In allen Ländern, die ein Rauchverbot einführten, sanken innerhalb eines Jahres die Herzinfarkt-Fälle um zehn bis 18 Prozent.“ Anschauliches Beispiel sind amerikanische Kleinstädte, in denen die Herzinfarkte bei Einführung des Rauchverbots drastisch sanken. Als das Verbot rückgängig gemacht wurde, stieg die Zahl der Herzinfarkte wieder auf das ursprüngliche Niveau.

„Solche epidemiologischen Studien zeigen die Gefahr des Passivrauchens. Wir konnten auch in experimentellen Labortests zeigen, welche Mechanismen auf biologischem Niveau dahinter stecken“, sagt Maurer. Als Ursache der Herz-Kreislauf-Erkrankungen nennt er oxidativen Stress des Endothels der Gefäße, Entzündungsvorgänge und eine veränderte Blutgerinnung, die zu erhöhter Thrombosegefahr führt.

Auch das Herzchirurgische Forschungslabor der Medizinischen Universität in Innsbruck liefert eine Erklärung, wie es dazu kommt, dass unter den Passivrauchern 30 Prozent mehr an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden als unter Nichtrauchern. Ihre Studie, wie Schwermetalle durch Zigarettenrauch in den Körper gelangen (siehe unten), zeigte, dass auch Passivraucher im Vergleich zu Nichtrauchern erhöhte Werte von Cadmium im Blutserum hatten. „Es sind vor allem Schwermetalle, in erster Linie Cadmium, die für Schädigungen der Blutgefäße verantwortlich sind“, sagt David Bernhard aus Innsbruck.

Radioaktive Elemente im Rauch

Auf die Frage, ob es ein Mythos sei, dass Zigarettenrauch auch Radon – ein radioaktives chemisches Element – enthält, legt Bernhard eine Studie vor, die aus dem Mythos ein Faktum macht. Ägyptische Wissenschaftler testeten 2007 die Konzentration von Radon in zehn verschiedenen Zigarettenmarken und fanden in allen Proben einen signifikant erhöhten Radon-Wert. Sie warnen daher, dass die Gefahr für Lungenkrebs eine doppelte sei: Auf chemischer und auf radioaktiver Basis kann Zigarettenrauch Tumore auslösen.

Diese Gefahr trifft auch Passivraucher. Denn nicht nur, dass Zigarettenrauch selbst eine Radon-Quelle ist, auch seine hohe Bindungsfähigkeit führt zu erhöhter radioaktiver Belastung des Körpers: Radium (das chemische Element, das eine wichtige Quelle für Radon ist) kann über den Boden, über Baumaterial oder Wasserleitungen in Gebäude gelangen. Wenn in der Raumluft Rauch vorhanden ist, binden sich Radium-Ionen an die Rauchpartikel und werden so in die Lunge transportiert, wo die Alpha-Strahlung Schaden anrichten kann.

FAKTEN ZUM PASSIVRAUCHEN

Erhöhte Krebsgefahr: Nach acht Jahren im verrauchten Gastgewerbe verdoppelt sich das Lungenkrebs-Risiko der Angestellten.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Passivraucher leiden zu 30 Prozent häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zu Herzinfarkt führen können, als Nichtraucher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2008)

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