Al-Qaradawi sieht in einer Papstbotschaft eine Warnung vor einer Islamisierung der Gesellschaft. Der Vatikan solle sich bei den Muslimen entschuldigen.
Der einflussreiche islamische Rechtsgelehrte Scheich Yusuf Abdallah al-Qaradawi hat Papst Benedikt XVI. bezichtigt, im Libanon "Aufruhr" zwischen Muslimen und Christen stiften zu wollen. Sein Abschlussdokument zur Nahostsynode der Bischöfe enthalte "gefährliche Botschaften und Vorstellungen", erklärte der in Katar lehrende Scheich laut der nationalen Zeitung "The Peninsula" vom Samstag.
So enthalte die Papstbotschaft eine Warnung vor einer Islamisierung der Gesellschaft und verbreite unter den Christen der Region Angst vor einem politischen Islam. "Es ist merkwürdig, dass der Papst vor einem politischen Islam warnt, während er selbst in weitem Umfang ein politisches Christentum praktiziert", so al-Qaradawi. Der Gelehrte gab seine Stellungnahme offenbar vor der Publikation des Synodendokuments am Freitagnachmittag ab.
Entschuldigung für Regensburger Rede
Al-Qaradawi verlangte auch eine Entschuldigung des Papstes für seine Regensburger Rede. Dort hatte Benedikt XVI. in einem Zitat eine islamkritische Aussage des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos (1350-1425) wiedergegeben und damit blutige Proteste in der islamischen Welt ausgelöst. Al-Qaradawi forderte, der Vatikan müsse sich bei den Muslimen ebenso entschuldigen, "wie er sich bei den Juden entschuldigt hat".
In dem Nachsynodalen Schreiben wendet sich Papst Benedikt XVI. laut Kathpress generell gegen Gewaltanwendung und religiösen Fundamentalismus. Die Muslime teilten "mit den Christen die Überzeugung, dass in religiösen Dingen kein Zwang und erst recht keine Gewaltanwendung erlaubt" seien. "Ein solcher Zwang, der vielerlei und unterschwellige Formen auf persönlicher wie gesellschaftlicher, kultureller, behördlicher und politischer Ebene annehmen kann, ist gegen den Willen Gottes", heißt es in dem Dokument.
Weiter schreibt der Papst: "Die wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten, die Begabung einiger zur Manipulation und ein mangelhaftes Verständnis der Religion bilden unter anderem die Basis für den religiösen Fundamentalismus. Dieser sucht alle religiösen Gemeinschaften heim und lehnt das jahrhundertealte Zusammenleben ab. Aus politischen Gründen sucht er - manchmal mit Gewalt - die Macht über das Gewissen der einzelnen und über die Religion zu gewinnen. Ich appelliere an alle jüdischen, christlichen und muslimischen Religionsführer der Region, danach zu streben, durch ihr Beispiel und ihre Lehre alles zu tun, um diese Bedrohung auszumerzen, die unterschiedslos und tödlich die Gläubigen aller Religionen ergreift."
(APA)