Franziskus beschert Kirche in Lateinamerika Auferstehung

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Dass einer der „Ihren“ Papst ist, erfüllt die Lateinamerikaner mit Stolz. Viele gehen erstmals seit Jahren wieder in die Messe.

Rio de Janeiro. So voll wie in dieser Osterwoche waren die katholischen Kirchen südlich des Rio Grande schon lange nicht mehr, Franziskus sei Dank. Die Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Papst hat der Frömmigkeit in Lateinamerika einen Schub gegeben. Überall ist zu spüren, wie die scheinbar erstarrte Kirche Hoffnung schöpft, sich aus dem Korsett der alten Rituale zu befreien und die Nähe der Gläubigen zu suchen – ganz im Sinne und im Stil der Bescheidenheit des neuen Papstes.

Vielleicht ein Anfang, um die beinahe ungebrochene Dynamik der protestantischen Pfingst- und Erweckungskirchen zu stoppen, die in ganz Lateinamerika gerade in den Slums und Favelas einen Aufschwung verzeichnen?

Selbst die nicht gläubigen, linken Intellektuellen in Buenos Aires oder São Paulo halten sich in ihren antiklerikalen Kommentaren zurück. Ganz gleich, wie man in Lateinamerika zur Kirche steht: Dass nun einer der Ihren auf dem Heiligen Stuhl sitzt, das erfüllt Argentinier, Brasilianer, Peruaner und alle anderen mit Stolz.

Römer in Plastikrüstung

Jetzt, zu Ostern, gehen viele erstmals seit Jahren wieder in die Kirche – oder fahren in den Jesus-Erlebnispark Tierra Santa (Heiliges Land) im Norden von Buenos Aires. Der Eintritt: 60 Pesos, für Kinder die Hälfte. Am Eingang werden die Besucher von römischen Soldaten in Plastikrüstung empfangen, ein Dromedar lagert unter Plastikpalmen, nicht weit davon entfernt die Krippe mit echtem Ochs und Esel. Familien spazieren über den Kreuzigungshügel, wo live das Leiden Christi inszeniert wird. Highlight im Zwei-Stunden-Takt: die Auferstehung, wenn sich eine fast 20 Meter hohe, beleuchtete Gipsfigur zum Himmel erhebt.

Solche Vorführungen haben in Argentinien und anderen Teilen der spanischsprachigen Welt eine lange Tradition. Dazu zählt auch die sogenannte Judas-Verbrennung, bei der eine Strohimitation des Jesus-Verräters von Feuerwerkskörpern in die Luft gejagt wird. Allein über die Osterfeiertage erwarten man in Tierra Santa 35.000 Besucher.

Das Elendsviertel Villa 31 liegt von dieser Theateroase nur wenige Kilometer entfernt, und doch auf einem anderen Stern. Kinder spielen zwischen den Müllhaufen Fußball, Drogendealer lungern an den Straßenecken, nachts kommt es hier oft zu Schießereien. Taxifahrer weigern sich, in den Slum zu fahren. Unter einer Autobahnbrücke, wo das Elendsviertel in eine Industriebrache ausfranst, liegt die Kirche Cristo Obrero. Ein einfaches Holzkreuz ragt über das Wellblechdach, vor dem Eingang haben Anwohner ein Mausoleum aus Ziegelsteinen errichtet.

Papst ernannte Nachfolger

Hier ruhen die sterblichen Überreste von Padre Carlos Mugica, Todesschwadronen haben den Armenpriester 1974 ermordet. Als der Leichnam 1999 in die Villa 31 überführt wurde, ging Bergoglio hinter dem Sarg her. Seither wird der Hirte hier wie ein Held verehrt: „Er hat den Armen ihre Würde zurückgegeben“, sagt Padre Guillermo Torre, der seit 14 Jahren die Gemeinde leitet.

Und er hat auch seiner Erzdiözese, Buenos Aires, schon einen neuen Oberhirten gegeben: Gerade zehn Tage im Amt, ernannte Franziskus mit Mario Aurelio Poli seinen Nachfolger. Der 65-Jährige war bisher Diözesanbischof von Santa Rosa in der zentralargentinischen Provinz La Pampa. Zuvor war er sechs Jahre lang Weihbischof in Buenos Aires und damit ein enger Mitarbeiter Bergoglios.

50.000 Busse zum Weltjugendtag

Die Kirchen sind also gefüllt, die Busse und Flugzeuge nicht minder: Zu Ostern suchen alle Lateinamerikaner, die es sich leisten können, die Familie auf, aus der sie stammen. In Rio de Janeiro werden derweil massiv Überstunden geschrieben: Weit im Westen der Atlantikmetropole wird ein Terrain geebnet, auf dem Ende Juli der schon lange geplante katholische Weltjugendtag abgehalten wird.

Beim bisherigen Papst Benedikt rechnete man mit einer Million Teilnehmer – jetzt mit Franziskus aber schon mit 2,5 Millionen auf dem Campus Fidei in Guaratiba. Die baulichen und organisatorischen Vorbereitungen erreichen Woodstock-Ausmaße. Allein 50.000 Busse müssen gechartert werden, und trotzdem werden die jugendlichen Papstpilger viele Kilometer zurücklegen müssen, um dabei zu sein. Franziskus als Person hat sich schon als Menschenfischer erwiesen. Ob aber die katholische Kirche nachhaltig neu in Lateinamerika erblüht, muss noch die Zukunft weisen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2013)

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