Kardinal appelliert an Häupl Verstimmung im Rathaus

Schönborn will runden Tisch zur Abtreibung.

WIEN (d.n.). Es kommt nicht alle Tage vor, dass Kardinal Christoph Schönborn einen Protestbrief an Bürgermeister Michael Häupl schreibt. Einmalig ist, dass der Inhalt dieses Schreibens wenige Tage später über den sonst eher diskreten Pressedienst der Erzdiözese auch veröffentlicht wurde.

Gestern, Donnerstag, war es so weit: Schönborn kritisiert in dem Brief, der mit 18.August datiert ist, eine Veranstaltung zum 30-jährigen Bestehen der „Abtreibungsklinik“ am Fleischmarkt, die im Wiener Rathaus stattfinden soll. Er plädiert für eine Absage der Veranstaltung, die für Donnerstagabend nächster Woche angesetzt ist. Und der Wiener Erzbischof spricht sich für einen runden Tisch aus. Inhalt sollten jene flankierenden Maßnahmen zur Fristenregelung sein, die Bundeskanzler Bruno Kreisky zugesagt hatte – vor 36Jahren.

Bürgermeister Häupl, der zu verschiedenen Fragen immer wieder persönlich den Kontakt zum Kardinal sucht, ist dem Vernehmen nach über den Schritt des Wiener Erzbischofs not amused. Er feilt derzeit noch an einem Antwortschreiben, das dieser Tage abgeschickt werden soll.

Schönborn betont sein Vertrauen auf die Sensibilität des Bürgermeisters für ein zentrales Problem der Gesellschaft wie das Recht auf Leben. Niemand rufe nach Strafe für verzweifelte Frauen. Aber Abtreibung sei keine Lösung. Das geltende österreichische Gesetz sage deutlich, dass diese Unrecht sei. Schönborn wörtlich: „Es geht um die Tötung menschlichen Lebens. Das ist keine Bagatelle.“ Durch eine Veranstaltung wie in der nächsten Woche werde aber deutlich, dass es „offenbar keinen Konsens im Hinblick auf den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an gibt“.

Wiener Kompromiss?

Häupl selbst ist freilich weder Organisator noch Einladender noch Teilnehmer der Veranstaltung. Das Büro des Bürgermeisters verweist auf die Zuständigkeit von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely. Dort erklärt man, es handle sich nicht um eine „Festfeier“, sondern einen „Cocktailempfang“.

„Eine Absage ist keine Option“, sagte Wehsely der APA. Das Recht der Frau auf Selbstbestimmung sei für sie und für die SPÖ unantastbar: „Alle Versuche, dieses Recht anzutasten, sind indiskutabel.“

Ein kolportierter möglicher Kompromiss könnte so aussehen: Die Veranstaltung findet statt, auch in den Räumlichkeiten des Rathauses – aber nicht wie geplant im Stadtsenatssitzungssaal. Sondern im Rathauskeller.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2009)

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