André Heller: Missbrauch im Jesuiten-Internat miterlebt

Andre Heller
Andre Heller(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Künstler berichtet als ehemaliger Schüler von Missbrauch im Jesuiten-Internat Kalksburg. Er geht von weit mehr Fällen aus als jene, die bekannt wurden. Statt Opferhilfe gab es "jesuitische Selbstjustiz".

"Wir waren mit unserer Verstörung und Ratlosigkeit allein", beschrieb Künstler Andre Heller in der "ZiB24" die Situation im Jesuiten-Internat Kalksburg (Wien-Liesing), wo er als Schüler sexuellen Missbrauch mitbekam. Heller zeigte sich nicht überrascht über die jüngst bekanntgewordenen Fälle und geht "gemessen an der Wirklichkeit" von einer "ganz geringen Zahl, von der wir wissen" aus.

Schokolade als Lockmittel

Heller berichtete von einem Erzieher im Kollegium Kalksburg, der Missbrauch begangen habe. Er selbst sei in der Nacht von dem Mann an den Schläfen gestreichelt worden und habe dafür Schokolade erhalten. Das habe er "als Zärtlichkeit empfunden". Womöglich sei dabei aber "etwas ausgelotet" worden, denn andere im Internat seien missbraucht worden. Die Grenzen seien hier fließend gewesen.

"Der Teufel war zu Besuch"

Heller beklagte, dass früher die Justiz nicht mit dem Thema befasst gewesen sei. Damals, als die Missbrauchsfälle aufflogen, sei der Generalpräfekt erschienen und habe erklärt: "Der Teufel war zu Besuch bei uns." Alle Betroffenen sollten sich melden. Dann sei es lediglich zu "jesuitischer Selbstjustiz" gekommen. Hilfe für Opfer, etwa durch Psychologen, gab es laut Heller damals nicht. Heute sei es im Gegensatz zu früher "nicht mehr so leicht, damit davonzukommen".

Internat war "widerliche Zeit"

Heller riet Opfern, über das Geschehene zu sprechen - wenn auch nicht notwendigerweise an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Missbrauch sei "Teil einer schrecklichen Realität" gewesen. Von seiner Zeit im Internat sprach der Künstler von "Kinderinquisition": "Ich fand's eine ganz widerliche Zeit im Internat."

Das Kollegium Kalksburg übertrug 1994 seine Führung dem Schulverein "Vereinigung von Ordensschulen Österreichs". Als Hauptgrund wurde die Personalsituation angesichts kontinuierlich gesunkener Zahlen von Ordensmitgliedern genannt.

(APA)

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