Klasnic-Kommission: 193 Fälle und Kritik an Regierung

Waltraud Klasnic Kardinal Schoenborn
Waltraud Klasnic Kardinal Schoenborn(c) EPA (Hans Klaus Techt)
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Mitglieder der von der Kirche eingesetzten Opferanwaltschaft wollen auch staatliche Ermittlungen. Bisher sind von 193 Fällen fünf abgeschlossen. Die Opfer sind in zwei Drittel der Fälle männlich.

Mitglieder der von Kardinal Christoph Schönborn eingerichteten Opferanwaltschaft unter Waltraud Klasnic machen zunehmend Druck auf die Regierung, was die Einrichtung einer staatlichen Stelle zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen betrifft. Zumindest eine Koordinationsstelle solle es geben, forderte "Weißer Ring"-Präsident Udo Jesionek. Insgesamt hat sich die Klasnic-Kommission bereits 193 Fälle angenommen, fünf davon gelten als abgeschlossen. Bei zwei Drittel sind Männer die Opfer.

Nicht alle Mitglieder der achtköpfigen Kommission rund um Klasnic sind sich einig, was die Forderung nach einer staatlichen Stelle zum Umgang mit Missbrauch betrifft, allerdings bedauern einige, dass sich die Regierung nicht ganz in die Thematik einmischt. Werner Leixnering, Leiter der Abteilung für Jugendpsychiatrie der Landes-Nervenklinik in Linz, drängt dabei besonders auf eine Stelle, die sich Vorfälle etwa in pädagogischen Einrichtungen des Bundes vornehmen sollte. Kurt Scholz, langjähriger Präsident des Wiener Stadtschulrates und Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien, ist sich sogar sicher, dass es eine solche "über kurz oder lang" geben werde.

Der Publizist Hubert Feichtlbauer, einst Vorsitzender der Plattform "Wir sind Kirche", erhebt noch eine andere Forderung, diesmal an die Kirche selbst: "Ich erwarte von der Bischofskonferenz, dass sie präzisiert, woher die Mittel kommen", meint er im Bezug der zugesicherten finanziellen Unterstützung. Bereits jetzt würden weiterführende Therapien gezahlt, wie hoch die Summe ist und vor allem sein wird, kann Klasnic selbst noch nicht sagen. 19 ausführliche Gespräche sowie 250 Telefonate hat die Kommissionsvorsitzende bis jetzt selbst geführt, 415 E-Mails beantwortet. 98 Prozent davon betreffen kirchliche Einrichtungen.

Zwischenbericht im Juli

Im Bundesländervergleich führt derzeit Niederösterreich (zu dem große Teile der Erzdiözese Wien gehören) mit 32 bei der Opferanwaltschaft dokumentierten Fälle die Statistik an, dahinter Wien mit 24 und Oberösterreich mit 23. In Vorarlberg ist bis jetzt nur ein Fall dokumentiert. Von den 193 Fällen betreffen 120 Männer, 65 Frauen. Im Juni wird Klasnic bei der Sommervollversammlung der österreichischen Bischöfe zu Gast sein, im Juli soll ein Zwischenbericht mit konkreten Zahlen folgen, Ende des Jahres will man einen "groben Überblick" haben. Klasnics Appell: "Betroffene sollen sich sobald als möglich melden." Aus dem Bericht sollen auch Vorschläge an die Kirche resultieren, etwa, was strukturell geändert werden könne, so Feichtlbauer.

Ein positives Resümee über die Tätigkeit der Opferanwaltschaft zieht Brigitte Bierlein, Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofes und Kommissions-Mitglied: "Manche sind schon zufrieden mit einem Gespräch und dass sie ernst genommen werden." Nach einer zehnstündigen Phase mit Traumaexperten, so die derzeitige Vorgehensweise, wird entschieden, ob es weiterführende Therapien geben soll oder nicht. Aber auch hinsichtlich der finanziellen Kompensationen hat man sich einiges vorgenommen. Scholz: "Wir wollen großzügiger sein, als es die österreichischen Gerichte waren."

(APA)

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