Klasnic-Kommission: 837 Missbrauchsopfer in Jahr eins

KlasnicKommission Missbrauchsopfer Jahr Eins
KlasnicKommission Missbrauchsopfer Jahr Eins(c) AP (Ronald Zak)
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Ein Jahr nach der Gründung der Opferschutzanwaltschaft zog Waltraud Klasnic Bilanz: Von mehr als 900 Meldungen bestätigten sich 837 Fälle von Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen. 253 Fälle wurden erledigt.

Die von Kardinal Christoph Schönborn eingesetzte Opferschutzanwaltschaft hat ein Jahr nach ihrer Gründung Bilanz gezogen: Von insgesamt 909 Meldungen haben sich 837 Personen als Betroffene von Missbrauch im kirchlichen Bereich herausgestellt. 253 gemeldete Fälle gelten als erledigt, teilte Kommissionsvorsitzende Waltraud Klasnic am Mittwoch in einer Pressekonferenz mit. Als Konsequenz wünscht man sich mehr Augenmerk auf die psychische Eignung bei der Ausbildung zu geistlichen Berufen.

Etwa drei Viertel von den 837 registrierten Betroffenen seien Männer gewesen, geht aus dem Bericht der Opferschutzkommission hervor. Die meisten Fälle, also knapp 20 Prozent, seien in Oberösterreich zu verzeichnen gewesen, gefolgt von Wien und Tirol. Gegen fünf kirchliche Einrichtungen seien außerdem Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft ergangen. 199 Beschlüsse hat die Kommission bisher gefasst, davon ergingen in 192 Fällen Entschädigungszahlungen an die Opfer, sieben Fälle wurden aus unterschiedlichsten Gründen abgelehnt.

"Wir führen keine Gerichtsverfahren"

Klasnic sprach nach einem Jahr Opferschutzanwaltschaft von einer "vorbildhaften" Einrichtung. Man werde aber zumindest noch einige Jahre brauchen, bis alle Fälle abgearbeitet sind. Zudem werde es künftig "wissenschaftliche Begleitforschung" sowie eine Evaluierung der Arbeit geben, kündigte die Vorsitzende an. "Es geht auch um die Strukturen, die Missbrauch und Gewalt zugelassen haben." Auch eine Selbsthilfegruppe von Betroffenen werde man begleiten.

"Wir führen keine Gerichtsverfahren, sondern prüfen die Anliegen der Opfer auf ihre Plausibilität", stellte Caroline List, Richterin und Kommissionsmitglied, klar. Auch der Publizist Hubert Feichtlbauer betonte den Grundsatz, im Zweifelsfall für das Opfer zu sprechen. Allein deswegen und die Tatsache, dass der Staat der Kirche nicht vorschreiben könne, wie viel diese zu zahlen habe, spreche für die Unabhängigkeit der Kommission. Auch Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein meinte, die von der Kirche eingerichtete Stiftung habe die Entschädigungssummen in jedem Fall eins zu eins übernommen.

Auch der Wunsch nach einer staatlichen Koordinierungsstelle wurde wieder laut. Kurt Scholz berichtete, dass man bezüglich nichtkirchlicher Fälle bereits in Gesprächen mit dem Bildungsministerium und der Volksanwaltschaft sei. "Es kann nicht sein, dass jemand, der als Ministrant missbraucht wurde, entschädigt wird und im Sportverein daneben zuckt man mit den Achseln." Dass sexueller Missbrauch auch in anderen Institutionen stattfinde, meinte auch der Psychiater Reinhard Haller in einem schriftlichen Statement, dass bei der Pressekonferenz verlesen wurde.

Jugendpsychiater Werner Leixnering forderte stellvertretend für die gesamte Kommission mehr Vorsicht bei der Ausbildung für den pastoralen Dienst. So müsse die psychische Eignung - etwa von Priesterkandidaten - künftig verstärkt geprüft werden. Geschehen könne dies etwa durch Supervision.

(APA)

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