McAfee: Die skurrile Jagd auf den Virenjäger

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Der unter Mordverdacht stehende Internetmillionär John McAfee ist seit Wochen auf der Flucht vor der Polizei aus Belize und das mit Erfolg. Er schaffte es nach Guatemala.

Wien. Seine Hunde hat John McAfee geliebt. Umso schlimmer muss es für den Gründer der Antiviren-Softwareschmiede McAfee gewesen sein, alle sechs Vierbeiner auf einmal vergiftet im Garten seines Anwesens in Belize zu finden. Wenig später machte auch die Polizei des mittelamerikanischen Steuerparadieses einen grausamen Fund. Gregory Viant Faull, jener Nachbar, der sich oft über das Gebell der Hunde beschwert haben soll, war ebenfalls tot. Niedergestreckt durch einen Schuss in den Hinterkopf.

Seitdem ist die 67-jährige Internetlegende McAfee auf der Flucht vor den Behörden. Bis heute beteuert er, unschuldig zu sein. Er sieht sich als Opfer einer Verschwörung, weil er die Regierung nicht schmieren wollte. Am Mittwoch tauchte McAfee überraschend in Guatemala auf und will dort um Asyl ansuchen. Es ist das vorläufige Ende einer skurrilen Jagd nach einem nicht minder skurrilen Millionär.

Der erste Computervirenjäger

Geboren im Jahr 1945 in England entdeckte der damalige Programmierer beim Luft- und Raumfahrtunternehmen Lockheed den Computervirus „Pakistani Brain“, der sich Ende der 1980er-Jahre über Floppy-Discs weltweit verbreitete. Der Software-Guru erkannte als Erster, welches Geschäft mit Antivirensoftware zu machen ist, und gründete ein eigenes Unternehmen. Nicht nur ein Mal wurde er beschuldigt, selbst Schadsoftware zu basteln, um das Geschäft anzutreiben. Doch der Kampf gegen Viren und Trojaner wurde auch ohne sein Zutun zu einem Milliardenmarkt. Noch heute schützt sein 1989 gegründetes Unternehmen hunderte Millionen Computer weltweit vor Cyber-Attacken.

Auf seiner Flucht wäre die Internetlegende unterdessen beinahe über die größte aller Sicherheitslücken gestolpert: über den Menschen. Zwei Journalisten vom US-amerikanischen „Vice“-Magazin, die McAfee auf seiner Flucht begleitet hatten, veröffentlichten ein Foto des gut gelaunten Flüchtigen auf ihrer Website und vergaßen, die Standortdaten, die das Smartphone mitschickt, zu löschen. Für Kenner leicht ersichtlich, dass es McAfee bis knapp hinter die Grenze zu Guatemala geschafft hat. Dem Amerikaner blieb nicht viel mehr übrig, als die Flucht nach vorn anzutreten. Noch am Dienstag wolle er um politisches Asyl in Guatemala ansuchen, ließ der Unternehmer in seinem Blog wissen.

Gute Chancen auf Asyl

Die Chancen, dass er damit Erfolg haben wird, stehen nicht schlecht. Denn die beiden Länder liegen seit Jahren im Clinch. Guatemala beansprucht den gesamten südlichen Teil sowie alle Inseln von Belize für sich. Ein gegenseitiges Auslieferungsabkommen gibt es nicht.

McAfee selbst nennt andere Gründe für die Wahl seines Fluchtorts. „Guatemala ist ein Land, das versteht, wie korrupt Belize ist“, sagte er gegenüber Reuters. Ob er es mit seiner neuen „Heimat“ besser getroffen hat, ist fraglich. Im aktuellen Corruption Perception Index von Transparency International (siehe Seite eins) liegt Guatemala gerade einmal auf Rang 113. Belize wird in dem Ranking nicht geführt.

Zurück in das karibische Steuerparadies will der Amerikaner erst, wenn er sich sicher fühlt. Und das könnte noch eine Weile dauern. Er fürchtet, Opfer eines Mordkomplotts der Behörden zu sein. Freiwillig werde er zu keinem Verhör kommen. „Der Letzte, der das getan hat, war ein Gentleman“, sagte er. „Auch ihn wollten sie nur befragen. Dann schossen sie 14 Mal auf ihn ein.“ Die Regierung wies diese Darstellung von sich und bezeichnete den McAfee als „paranoid“.

100 Millionen in den Sand gesetzt

Tatsächlich war der Amerikaner schon als Unternehmer für gelegentliche „Ausflüge aus der Realität“ bekannt. Nach dem Verkauf seines Imperiums 1994 ist der frühere Programmierer komplett ausgestiegen. McAfee wurde Yogalehrer, schrieb Bücher über die indische Lehre, berichtete im Internet ausführlich über seine Erfahrungen mit bewusstseinserweiternden Drogen. Finanziell hatte er eine Serie von Fehlschlägen zu verkraften. Sein Vermögen von einst 100 Millionen Dollar legte er glücklos an: in US-Immobilien und Anleihen der Lehman Brothers. Nur vier Millionen konnte er nach Belize retten.

Zuletzt sei McAfee verängstigt und launisch gewesen, berichten Nachbarn. Am wohlsten habe er sich in Begleitung schwer bewaffneter Bodyguards gefühlt. „Er reiht sich in die Liste der Genies ein, die wahnsinnig wurden“, so sein früherer Immobilienmakler Chris Allnatt. „Er braucht ernsthaft Hilfe.“

Auf einen Blick

John McAfee ist eine Legende im Internet. Als einer der Ersten erkannte der Amerikaner in den 1980er-Jahren, wie viel Geld sich mit Antivirensoftware verdienen lässt. Sein Unternehmen McAfee schützt heute noch hunderte Millionen Computer vor Cyberattacken.

Seit drei Wochen ist der frühere Programmierer auf der Flucht vor den Behörden seiner Wahlheimat Belize. Er soll seinen Nachbarn erschossen haben. Jetzt tauchte McAfee in Guatemala auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2012)

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