Der Arzt, der im Herzen Afrikas auf das Virus stieß

Der belgische Virologe Peter Piot gilt als Mitentdecker des Ebola-Virus. Er warnt vor einer Katastrophe.

Als 1976 in einem Labor in Antwerpen zwei Eprouvetten in einer blauen Thermoskanne eintrafen, trug der junge Virologe Peter Piot weder eine Schutzmaske noch einen Overall, sondern nur dünne Latex-Handschuhe und einen weißen Kittel. Die Blutproben kamen von einer belgischen Nonne aus dem Urwald in Zaire, dem heutigen Kongo, und sollten auf Gelbfieber untersucht werden. Das Virus war neu, lang, groß und wurmartig, es ähnelte dem des Marburg-Virus, das in den 1960er-Jahren mehrere Labormitarbeiter in der deutschen Uni-Stadt dahingerafft hatte.

„Was zum Teufel ist das denn?“, habe er sich damals gedacht, wie sich Piot in einem „Spiegel“-Interview erinnert. Zu allem Überdruss zerbrach auch noch ein Reagenzglas, das Röhrchen fiel auf die Schuhe eines Kollegen. Sie injizierten das Blut von Mäusen, die alle zugrunde gingen. Nachdem das US-Seuchenkontrollzentrum das neuartige Virus identifiziert hatte, begannen die Forscherteams, nach Zaire zu eilen. Der 27-jährige Belgier witterte ein Abenteuer im Stil seines Lieblingscomics „Tim und Struppi“ und meldete sich freiwillig zur Mission, obwohl seine Frau gerade im dritten Monat schwanger war.

In Yambuku im Norden des Landes, im Herzen Afrikas, waren bereits mehrere hundert Menschen gestorben. Piot kaufte sich eine Gasmaske in Kinshasa, die wegen der Hitze freilich untauglich war. Gleich zu Beginn wurde er von hohem Fieber geschüttelt – ein Durchfall. Er spricht von Glück, dass er nicht infiziert wurde. „Man blickt dem Tod ins Auge, kommt aber noch einmal davon.“

Das Virus sollte nicht den Namen Yambuku tragen, weil es den Ort stigmatisiert hätte. Als sie nächtens bei ein paar Drinks zusammensaßen, fiel der Blick auf die Landkarte und auf den nahe gelegenen Fluss Ebola, schildert er in seinen Memoiren „No Time to Lose“. „Ich ahnte nicht, dass wir damals Geschichte machten.“ Zu seinem 65.Geburtstag war der Virenjäger heuer nach Yambuku zurückgekehrt, kurz bevor in Westafrika die neue Epidemie ausbrach. Mittlerweile hatte Piot Karriere gemacht, als Chef des Aids-Programms der UNO und als Direktor des Londoner Instituts für Hygiene und Tropenmedizin. Zwischendurch adelte ihn Belgiens König Albert zum Baron.

Piot redet vom „perfekten Sturm“, er warnt vor einer Katastrophe, kritisiert die lahme internationale Reaktion – mit Ausnahme der Ärzte ohne Grenzen – und fordert den Einsatz einer UN-Truppe. „Ich hätte nie gedacht, dass es so schlimm kommen könnte.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

UNICEF: 2014 war ein Katastrophenjahr für Kinder
Weltjournal

UNICEF: 2014 war ein Katastrophenjahr für Kinder

Mehr als 15 Millionen Kinder leiden in den größten aktuellen Krisenherden in Irak, Syrien, Gaza, Ukraine, Südsudan und Zentralafrikanische Republik unter extremer Gewalt, Zerstörung und Vertreibung.
Ein US-Soldat trainiert Personal in einem Ebola-Behandlungszentrum in Monrovia.
Weltjournal

Ebola: "Ärzte ohne Grenzen" kritisiert langsame Hilfe

Die Finanzierung von Behandlungszentren sei nicht ausreichend. Bei konkreten Maßnahmen wie der Personalsuche werde die Bevölkerung alleine gelassen.
Weltjournal

Das Leben nach dem Ebola-Einsatz

Knapp 5700 Menschen sind bisher vor allem in Sierra Leone, Guinea und Liberia der Ebola-Epidemie zum Opfer gefallen. Wie ergeht es internationalen Helfern nach ihrer Rückkehr?
Symbolbild: Impfung
Weltjournal

Impfstoff gegen Ebola: Forscher melden ersten Erfolg

In einer ersten Phase sollen die 20 gesunden Testpersonen positiv auf den Stoff reagiert und die für Ebola nötigen Antikörper entwickelt haben.
Ebola: US-Pharmariese erwirbt Rechte an Impfstoff
Weltjournal

Ebola: US-Pharmariese erwirbt Rechte an Impfstoff

Der Pharmakonzern Merck & Co will zu Jahresbeginn mit großen klinischen Studien beginnen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.