Ebola: „Tun wir dort nichts, kommt's zu uns“

Das vermutliche Einsatzumfeld des Wiener Tropenmediziners Michael Kühnel: Leichenbergung und Bestattung, etwa hier in Monrovia (Liberia). [ EPA ]
Das vermutliche Einsatzumfeld des Wiener Tropenmediziners Michael Kühnel: Leichenbergung und Bestattung, etwa hier in Monrovia (Liberia). [ EPA ](c) APA/EPA/AHMED JALLANZO (AHMED JALLANZO)
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Der Wiener Arzt Michael Kühnel fährt erneut in ein Ebola-Krisengebiet, nämlich Liberia. Die Situation dort habe sich verschlechtert. Nach seiner Rückkehr begibt er sich in Isolation.

Als Michael Kühnel im Sommer nach Sierra Leone aufbrach, war Ebola für viele Menschen noch irgendeine Tropenkrankheit in Afrika. Jetzt, wenige Monate später, ist das hochgefährliche Ebola-Virus Thema der Weltpolitik – und Kühnel fährt wieder in ein Epidemiegebiet in Westafrika.

„Angst habe ich keine, sonst würde ich nicht fahren. Was ich hab, ist sehr viel Respekt. Dieser Respekt hat sich in den letzten zwei Monaten, seit ich wieder zurück bin, massiv erhöht“, sagt der Allgemeinmediziner, der seit 15 Jahren ehrenamtlich beim Roten Kreuz mitarbeitet. Montag Abend flog er nach Genf für letzte Vorgespräche, morgen geht es dann nach Liberia, in die Hauptstadt Monrovia.
Seit Anfang 2014 breitet sich das Virus vor allem in den drei westafrikanischen Staaten Sierra Leone, Liberia und Guinea aus.

ach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO haben sich bisher rund 8400 Menschen infiziert, etwa 4000 von ihnen starben. Liberia ist am stärksten betroffen. „Es gibt massive Probleme mit dem Gesundheitssystem, nachdem am Beginn der Seuche sehr viele medizinische Fachkräfte in Liberia gestorben sind, weil keiner wusste, dass es Ebola ist.“ Von einer möglichen Heilung sei man noch weit weg, aber Kühnel will zumindest dazu beitragen, dass die Zahl der Neuerkrankungen zurückgeht.

Dead-Body-Management

Kühnel wird ähnlich wie bei seinem ersten Einsatz voraussichtlich fürs „Dead-Body-Management“ zuständig sein, also Bestattungsteams ausbilden. „Wie gehe ich mit Leichen um? Wie bekomme ich sie in Leichensäcke, wie bestatte ich sie, dass es medizinisch passt, aber auch ethisch und religiös?“ Kühnel wird auch Spitalspersonal schulen, damit die Sicherheitsvorkehrungen greifen und wirklich funktionieren.

Ein besonders heikler Punkt sei die Schutzbekleidung. Beim Ausziehen von Overall, Brille, doppelten Handschuhen und Schutzmaske sei die Gefahr der Ansteckung am größten. Allerdings würden durch die Arbeit von Hilfsorganisationen, Medien und Behörden jetzt mehr Menschen wissen, wie man sich vor Ebola schützt. „Trotzdem sind Neuerkrankungen da. Das wird man nicht innerhalb von zwei, drei Wochen verbessern können. Das wird eine Sache von Monaten“, fürchtet Kühnel, der auch schon nach dem schweren Erdbeben auf Haiti 2010 oder dem Tsunami in Banda Aceh (Indonesien) 2004 in Krisenregionen gereist war.

Seine Eltern seien über seine Entscheidung, erneut in eine Ebola-Region zu fahren, „not very amused“ gewesen. Denn auch sie seien durch die Berichterstattung über Ebola gut informiert und entsprechend besorgt – immerhin beträgt die aktuelle Sterberate bei Ebola knapp 50 Prozent, was interessanterweise weit niedriger ist als bei früheren Ausbrüchen, wo sie bei 70 bis 90 Prozent lag. Kühnels Frau teile aber seine Leidenschaft für Einsätze in Krisengebieten. „Sie ist zwei Wochen, nachdem ich vom ersten Einsatz zurückgekommen bin, in den Südsudan gefahren und hat Cholera bekämpft.“

Geduld muss seine Familie jedoch nach seiner Rückkehr Mitte November haben: Kühnel muss nämlich zunächst drei Wochen lang Menschenansammlungen meiden. Nach einem gründlichen Check wird er sich daher drei Wochen in sein Wochenendhaus in der Steiermark zurückziehen. Alles sei mit Ministerium und Rotem Kreuz abgesprochen. „Da werde ich mich einkasernieren mit vielen Büchern und jeglichen Kontakt mit größeren Menschenmengen vermeiden“. Lebensmittel könne er schon einkaufen; man solle nur Körperkontakt vermeiden.

„Irgendwer muss es ja machen“

Kühnel rechnet aber auch mit „Ablehnung“ nach seiner Rückkehr: Er lese zum Beispiel keine Leserkommentare unter Online-Artikeln über ihn mehr; dort gebe es immer wieder Dinge zu lesen wie „Der soll unten bleiben“. Das nimmt Kühnel in Kauf. „Denn irgendwer muss es machen, und wenn wir jetzt nicht helfen und versuchen, das Ganze dort einzudämmen, dann kommt Ebola nach Österreich, irgendwann. Dann wird es sich ausbreiten und das will niemand. Also gehe ich mit gutem Gewissen und voller Zuversicht nach Liberia.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2014)

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