Franco-Verbrechen: Richter erklärt Amnestie-Gesetz für nichtig

A worker is seen behind a human skull in a mass grave in San Rafael cemetery in Malaga, Spain, Sunday
A worker is seen behind a human skull in a mass grave in San Rafael cemetery in Malaga, Spain, Sunday(c) AP (Sergio Torres)
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Richter Baltazar Garzón will die Verbrechen untersuchen, die Francos Faschisten von 1936 bis 1975 in Spanien begangen haben. Hunderte Leichen sollen exhumiert werden.

Knapp 70 Jahre nach dem spanischen Bürgerkrieg eröffnet Untersuchungsrichter Baltazar Garzón die bisher größte Untersuchung zu dem Konflikt. Garzón ordnete am Donnerstag die Öffnung von 19 Massengräbern an.

Garzón hat sich mit seinem Einsatz für die Opfer von Diktaturverbrachen seit Ende der 1990er Jahre einen Namen gemacht. 1998 sorgte er mit einem internationalen Haftebfehl gegen den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet für Aufsehen. Pinochet wurde daraufhin in London verhaftet.

Exhumierung von hunderten Opfern

Der Richter kündigte nun an, die Todesumstände tausender weiterer Menschen aufzuklären, die während des Bürgerkriegs von 1936 bis 1939 umgebracht wurden. Unter den hunderten Leichen, die exhumiert werden sollen ist auch die des weltberühmten spanischen Dichters Federico García Lorca.

Garzón reagiert mit den Ermittlungen auf die Forderungen Hinterbliebener, die seit Jahren eine Aufklärung über das Schicksal der in den Jahren des Bürgerkriegs sowie während der faschistischen Diktatur Francos (1939 bis 1975) Verschwundenen verlangen. Bisher wurden Ermittlungen durch ein im Jahr 1977 verabschiedetes Amnestie-Gesetz verhindert, mit dem ein Schlussstrich unter dieses Kapitel der spanischen Geschichte gezogen werden sollte.

Amnestie-Gesetz ist nicht anwendbar

Der spanische Richter hat die Gräueltaten während der Diktatur und des vorangegangenen Bürgerkriegs nun als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eingestuft. Das Amnestiegesetz sei deshalb nicht anwendbar. "Ein Amnestiegesetz, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit auszuradieren versucht, ist nichtig", argumentierte Garzón am Donnerstag vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid.

Der Diktator Franco und die 34 ranghöchsten Mitglieder seines Regimes seien bereits tot und könnten deshalb als Hauptverantwortliche nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Allerdings will Garzon feststellen lassen, ob die obersten Anführer der damaligen Falange-Staatspartei noch am Leben sind und möglicherweise belangt werden können.

"Eine Art Gerechtigkeit" für die Opfer

Hinterbliebene loben den Schritt. "Es ist endlich Zeit, dass dieses Land das Leid der Menschen anerkennt und etwas in Angriff nimmt, das 70 Jahre danach als eine Art Gerechtigkeit angesehen werden kann", sagt Emilio Silva, Chef der Organisation für die Wiederherstellung des Historischen Gedächtnis. Menschenrechtsorganisationen und Kirchenverbände hatten Garzón im vergangenen Monat eine Liste mit den Namen von 130.000 Opfern und Verschwundenen überreicht.

Schätzungen zufolge starben in dem dreijährigen Bürgerkrieg zwischen Unterstützern der republikanischen Regierung und den putschenden Nationalisten um General Francisco Franco rund 500.000 Menschen. Nach dem Sieg Francos wurden Zehntausende Republikaner getötet. Noch heute liegen rund 40.000 Tote in anonymen Massengräbern. Viele von ihnen gelten weiterhin offiziell als verschwunden.

Über 30 Jahre Stillschweigen

Nach dem Tod des Diktators im Jahr 1975 bewahrten die Parteien aus Rücksicht auf einen reibungslosen Übergang zur Demokratie weitgehend Stillschweigen über die Geschehnisse. Erst seit Regierungsantritt des Sozialisten Jose Luis Rodriguez Zapatero hat die Aufarbeitung der Franco-Zeit politische Priorität. Ende vergangenen Jahres wurde ein Gesetz zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs und der Diktatur verabschiedet. Rund eine Million Opfer politisch motivierter Verfolgung sollen nun eine moralische Wiedergutmachung bekommen.

Unter den Opfern ist auch Federico García Lorca, Spaniens meistübersetzter Poet des 20. Jahrhunderts. Er war nur einen Monat nach Beginn des Bürgerkriegs von den Faschisten festgenommen und hingerichtet worden. Als linker "Volksdichter" und Homosexueller war der Autor von Werken wie "Zigeunerromanzen" den Faschisten besonders verhasst. Erst Mitte September erklärte sich García Lorcas Familie mit der Exhumierung einverstanden.

(Ag./Red.)

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