Knapp 5700 Menschen sind bisher vor allem in Sierra Leone, Guinea und Liberia der Ebola-Epidemie zum Opfer gefallen. Wie ergeht es internationalen Helfern nach ihrer Rückkehr?
Wien. Jeden Tag hat er zweimal Fieber gemessen. Er hat Wien nicht verlassen, um in der Nähe einer Quarantänestation (im Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien-Favoriten) zu sein. Menschenansammlung hat er vermieden – und das 21 Tage lang. Erst dann hat Georg Geyer wieder Familie und Freunde getroffen. Denn 21 Tage beträgt die Zeitspanne, in der das tödliche Ebola-Virus zum Ausbruch kommen kann. Georg Geyer hat sich mehr als zwei Monate lang in Sierra Leone aufgehalten und geholfen, die Epidemie in Westafrika einzudämmen.
Der Wiener arbeitet als Logistiker für die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), die an vorderster Front gegen die weitere Ausbreitung des tödlichen Virus kämpft. MSF errichtet und betreibt Behandlungszentren und Quarantänestationen in den betroffenen Ländern Westafrikas. Geyers Job ist es, sich darum zu kümmern, dass die Spitäler mit allem versorgt werden, was nötig ist: von Strom über Wasser bis hin zu medizinischen Materialen wie Schutzanzügen.
Angst, sich selbst anzustecken, hatte Geyer nie. Der „Presse“ hatte er in mehreren Gesprächen vor und während seines Ebola-Einsatzes von den strengen Richtlinien zum Schutz vor einer Infektion berichtet. Werden diese genau verfolgt, ist das Ansteckungsrisiko sehr gering. Zudem ist Geyer in seiner Position als Logistiker nicht direkt mit Erkrankten konfrontiert.
Seit der Rückkehr nach Wien sei sein „größtes Problem“ gewesen, keine Verkühlung oder einen anderen Infekt zu bekommen, sagte er nun am Donnerstag der „Presse“: „Denn auch wenn ich mir sicher bin, nicht Ebola zu haben, muss ich, sobald ich Fieber habe, die Maschine starten.“ Und das heißt: Ab ins Kaiser-Franz-Josef-Spital, „wo ich 48 Stunden bleiben muss, bis das Ergebnis des Bluttests da ist. Diesen Stress möchte ich allen Beteiligten ersparen“, sagt er.
In Europa sei das Thema Ebola stark emotional besetzt und löse Ängste aus – auch bei Geyers eigener Familie. Die wenigsten wüssten über mögliche Infektionswege Bescheid. „Ich akzeptiere, dass sich die Leute nicht so wie ich mit Ebola auseinandergesetzt haben. Ich kann nicht erwarten, dass sie die gleiche Einstellung haben wie ich.“ Daher halte er sich an die MSF-Richtlinien zur Rückkehr aus einem Ebola-Einsatz – auch um „Verantwortung zu zeigen“.
„Die Schwachen sterben“
Von Ende August bis Mitte Oktober war Geyer in einer Isolierstation in Kailahun im Osten Sierra Leones im Einsatz. In genau dieser Grenzregion zu Guinea und Liberia hat die derzeit in Westafrika wütende Ebola-Epidemie ihren Ausgang genommen. Seither hat die tödliche Infektionskrankheit laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) knapp 5700 Menschen das Leben gekostet.
In Sierra Leone werden die Patienten, die unter Infektionsverdacht stehen, in sogenannte Holding Centers – „nicht mehr als ein Haus, das von einem Polizisten bewacht wird“ – gebracht. Dort müssen alle in einem Raum mehrere Stunden oder Tage warten, bis sie per Rettungswagen in die MSF-Klinik gebracht werden. Dort wurden in den Monaten, in denen Geyer dort war, rund tausend Patienten behandelt, von denen 400 überlebt haben. Diese Überlebensrate sei sehr hoch (im Vergleich: 30 Prozent bei guter medizinischer Versorgung, zehn Prozent ohne Versorgung): „Das ist so wie bei Kriegsverletzten. Die Schwachen sterben. Wer länger als 24 bis 48 Stunden am Leben bleibt, hat gute Chancen, es zu schaffen.“ Ein Teil der akut Erkrankten stirbt vermutlich bereits in den Holding Centers.
Der Erfolg spornt an
In der Region, aus der viele Patienten in die Klinik gebracht wurden, baut die Hilfsorganisation nun ein weiteres Behandlungszentrum: in der Nähe von Makeni, einer 80.000-Einwohner-Stadt im Herzen Sierra Leones. Dorthin macht sich Georg Geyer in wenigen Tagen auf und wird von Anfang an beim Bau der 100-Betten-Klinik dabei sein – nach nur rund sechs Wochen Pause in Wien. Der Erfolg des ersten Einsatzes hat ihn angespornt: „Am Anfang arbeitet man schnell und mit Vollgas. Dann geht es darum, Standards zu etablieren, die Versorgung auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen und dem Personal des jeweiligen Landes zu übergeben.“ Gelingt das, ist das die beste Motivation für einen weiteren Einsatz.
Fakten
Übertragen wird Ebola ausschließlich durch den direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten (Urin, Erbrochenes, Schweiß, Blut etc.) eines Erkrankten. Bis die ersten grippeähnlichen Symptome auftreten, vergehen zwischen zwei und maximal 21 Tagen. Betroffene sind ansteckend, sobald sie Krankheitsanzeichen entwickeln und solange sie Fieber haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2014)