Kapselhotels: Japanische Nächte auf zwei Quadratmetern

Karger Chic: ein Kapselhotel in Osaka.
Karger Chic: ein Kapselhotel in Osaka.(c) Japan/picturedesk.com
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Japans Minischlafstätten erfinden sich neu und ziehen immer mehr Touristen an.

Tokio. Sie sind eine typisch japanische Erfindung und wurden im Ausland oft verspottet oder gar verpönt. Nippons Kapselhotels galten lang als peinliche Billigunterkunft, als „Sarghotel“ für anspruchslose „Arbeitsbienen“. In der Tat sind die Kunden bis heute vor allem Japans Firmenangestellte, die nach einem Trinkgelage den letzten Zug verpasst oder für die Geschäftsreise nur ein bemitleidenswertes Budget haben. Die müden Bürokrieger kriechen einfach in eine Röhre – zwei Meter lang, gut einen Meter breit und hoch –, aber mit Fernseher, Wecker, Steckdose, Lüftung, WLAN sowie Sichtschutz. Damit hat der Gast trotz der Enge eine gewisse Privatsphäre, die ein Massenquartier in gleicher Preislage nicht bieten kann.

Das Gepäck wird in einem Spind verstaut. Wer will, kann im Gemeinschaftsbad noch abtauchen oder eine Dusche nehmen. Handtücher und Schlüssel für das Schließfach verteilt der Eincheckschalter. Frühstück gibt es nicht, aber da diese Etablissements vorrangig an Bahnhöfen angesiedelt sind, ist das kein Problem.

In Japan selbst sah man die Röhrenhotels als kreative Antwort auf den akuten Platzmangel in den Megastädten und als preiswerte Alternative zu den horrenden Raten in den klassischen Hotels. Eine Röhre kann man schon für umgerechnet 20 Euro bekommen. Die erste Übernachtungsstätte dieser Art wurde 1977 in der Millionenstadt Osaka eröffnet, also in der Zeit, als Japans Ökonomie boomte und kein Ende des Wirtschaftswunders in Sicht schien.

Die billigen Schlafstätten haben nicht nur alle Krisen überstanden. Sie erleben mit den vielen Touristen, die neuerdings in Rekordzahlen in das fernöstliche Inselreich strömen, sogar einen Boom. Immer mehr westliche Besucher entdecken diese Übernachtungsoption und loben sie als preiswert, komfortabel, sauber und effizient. Die neue Akzeptanz führt auch zu neuen Ideen.

Trendsetter in Kyoto

Derzeit entsteht eine moderne Generation von Kapselhotels, die nichts mehr mit den anspruchslosen Billigabsteigen der Anfangsjahre zu tun haben. Jetzt wird auch Nippons Töchtern Platz eingeräumt, was früher nicht der Fall war. Unlängst feierte das Nadeshiko-Hotel Premiere als erstes Gästehaus dieser Art nur für Frauen, wo die Kapseln etwas eleganter als Kokon bezeichnet werden.

Trendsetter sind mehrere neue Ketten für Minischlafstätten, die als coole Mischung aus Kapselhotel und Traditionsherberge mit größeren Kabinen und stilvoller Umgebung werben. Richtig angesagt ist das Nine Hours im Zentrum von Kyoto und am internationalen Flughafen Tokio-Narita, die Kunden übereinstimmend fancy und hip finden.

Diese futuristisch-elegante Version für Frauen und Männer erinnert eher an Designhotels. Geräumige Kabinen und ansprechendes japanisches Ambiente finden Gäste auch in der Kette First Cabin, die es in Tokio, Osaka und Kyoto gibt und in denen zwischen Business und First Class unterschieden wird. Hier sind die Schlafräumlichkeiten zwei bis vier Quadratmeter groß, mit Bett sowie einem Tischchen und Schiebetür ausgestattet.

„Klein, originell und abgefahren“

Im Trend sind auch Themengästehäuser nach bekannten Manga- oder Anime-Figuren. In Tokio eröffnete das Khaosan Tokyo Samurai Capsule als Mix aus klassischer Herberge und Röhre mit Samuraimotiven und Atmosphäre. Die edlen Varianten kosten dann aber schon deutlich mehr als die simplen Einsteiger. Für eine Nacht kann man je nach Saison umgerechnet 70 bis 100 Euro pro Person hinblättern. Dafür sind die Gemeinschaftsbäder nobel und mit viel Komfort wie Zahnbürsten, Haarpflegemitteln sowie diversen Toilettenartikeln ausgerüstet.

Für viele Ausländer ist ein Kapselhotel ein Muss, es gehöre zu Japan wie die Kirschblüte und der Berg Fuji, schreibt eine Bewertung bei Tripadvisor. Kritisch wird maximal angemerkt, dass es vielleicht etwas Überwindung koste, in eine solche Kapsel zu steigen. Sonst aber sei es ein spannende Erlebnis, eine tolle wie abenteuerliche Erfahrung: „Klein, platzsparend, originell und irgendwie abgefahren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2016)

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