Wien entdeckt internationale Architekten

Wien entdeckt internationale Architekten
Wien entdeckt internationale Architekten(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Architekten und Studenten aus aller Welt sollen für neue Blickweisen in Wiens Stadtarchitektur sorgen. Bei der Projektrealisierung müssen dann aber lokale Partnerbüros mithelfen.

Wien. Gebaut wird fast rund um die Uhr: Und mit mehr als 160 Metern ist der Perrault-Turm auf der Wiener Donauplatte schon höher als der Stephansdom. 600 Menschen arbeiten täglich, um den Turm zeitgerecht im kommenden Jahr fertigzustellen. Mit 220 Metern soll dann das vom französischen Stararchitekten Dominique Perrault gestaltete Bauwerk nicht nur Österreichs höchster Wohnturm werden, sondern auch ein neuer Beweis dafür, wie stark internationale Architektur in Wien Einzug gehalten hat.

Denn neben Perrault haben in den letzten Jahren noch Dutzende andere Branchengrößen aus aller Welt in Wien gebaut. Etwa der wie Perrault aus Frankreich stammende Jean Nouvel, der dem spektakulären Sofitel am Donaukanal seinen Stararchitektenstempel aufgedrückt hat. Oder die irakischstämmige Architektin Zaha Hadid, die am Donaukanal ein nach ihr benanntes Wohngebäude errichtet hat (siehe Bericht unten). Ihre Handschrift wird die Architektin auch bei der in Bau befindlichen neuen Wirtschaftsuniversität beim Prater hinterlassen, wo sie das zentrale Gebäude, das Library and Learning Center, gestaltet. Neben ihrem Team bauen übrigens noch fünf andere internationale Architektenteams an der WU – aus Spanien, Deutschland, London, Japan.

Dschungel der Bürokratie

Doch wie tun sich die internationalen Meister mit den Niederungen der Wiener Bauvorschriften? „In den meisten Fällen gibt es lokale Partnerbüros“, sagt Franz Kobermaier, Leiter der MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung). Diese helfen dann den internationalen Stars, sich im Dschungel der Bauordnung und der Bürokratie zurechtzufinden. So stammt zum Beispiel der Entwurf für den Perrault-Turm zwar vom französischen Meister, aber ausgeführt wird der Bau von einem auf der Donauplatte bereits versierten Architektenteam.

Das Motto „internationales Architektenflair nach Wien“ gilt aber nicht nur für das teure Star-Level, sondern auch im normalen Wohnbaubereich. Immer öfter werden Architektenteams aus aller Welt für Bauten in Wien engagiert. Für Michael Pech, den Vorstand des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW), ist dies eine sehr positive Entwicklung. Architekten aus aller Welt brächten einen anderen Blickpunkt, andere kulturelle Ansätze ein. „Das bedeutet für Wien einen kulturellen Mehrwert“, meint Pech, der selbst Architekt ist.

Das ÖSW realisiert derzeit ein interessantes, wegen seiner direkten Lage an der U6-Station Perfektastraße in Liesing auch schwieriges Wohnprojekt, das auf Plänen des spanischen Architektenteams YIC-architects basiert. Derzeit findet die Projektvorbereitung statt, die spanischen Kreativen sind dabei stark auf österreichische Hilfe angewiesen. So muss ein heimischer Koordinator die Einreichplanung baurechtlich unterschreiben, die Pläne müssen auf das örtliche Baurecht „übersetzt“ werden.

Die Spanier sind nach Wien über Europan gekommen. Europan ist der europaweit größte Wohn- und Städtebauwettbewerb, offen für alle in Europa praktizierenden Architekten und Architektinnen unter 40 Jahren. An der Organisation, die 1989 ins Leben gerufen wurde, wirken mittlerweile insgesamt 22 Nationen mit. Österreich, eines der Gründungsmitglieder, macht seit Beginn mit. Das heißt, die Stadt stellt eine Liegenschaft zur Verfügung, und junge europäische Architekten können sich für einen Bebauungsplan bewerben. Sie erhalten Informationen und Unterstützung, etwa bei der Standortbegehung. Eine Jury wählt dann die Siegerprojekte aus. Dann müssen sich nur Investoren finden, die das Projekt realisieren.

Europan für junge Architekten

Auf diesem Weg, dem Sieg bei Europan 7, haben die Spanier das besagte Projekt in Liesing gewonnen. Ein Jahr später hat ein norwegisches Team für seine Ideen bei einem Wohnprojekt in Atzgersdorf die Lorbeeren davongetragen. Später ein polnischer Architekt. Mittlerweile sind wir bei Europan 12 angekommen und das Interesse aus Europa ist ungebrochen.

Inzwischen wird in Wien auch der Input von Architekturstudenten aus aller Welt geschätzt, selbst wenn deren Ideen selten in konkrete Projekte umgesetzt werden. Vor Kurzem erst waren in einer Ausstellung über die Neugestaltung des Althanviertels rund um die alte Wirtschafts-Uni unter anderem auch Arbeiten von Studierenden der Pariser Ecole Nationale Superieure d'Architecture zu sehen. „Da waren hervorragende Ideen dabei“, sagt die zuständige Planungsstadträtin Maria Vassilakou über die Arbeiten.

Verwirklicht werden sie wohl kaum. Doch Wiens Stadtplanern ist wichtig, dass durch Ideen aus ganz Europa das Spektrum breiter wird. Denn: Architekten und Studenten im Norden planen anders als im Süden, Lebensphilosphie und Mentalität fließen in die Arbeiten ein, heißt es in der MA 19. Spanier etwa seien bekannt dafür, dass sie offener, luftiger bauen als ihre Kollegen im Norden.

Ein Planungsprojekt mit dem Inhalt Wien fesselte vor einigen Jahren sogar Studenten an der Elite-Uni Harvard im Cambridge in Massachusetts. „Reconnecting Vienna to its Danube“ hieß die Aufgabenstellung für angehende Stadtplaner an der Harvard Graduate School of Design. Gesucht waren Ideen für die Entwicklung des rechten Donauufers, also jenes Gebietes am Fluss, das vor allem durch die Bahnlinie und den Handelskai schwierig zu überbrücken und damit zu gestalten ist.

Nach Recherchen in Wien legten die Harvard-Studenten 2007 schließlich ambitionierte und originelle Projektentwürfe vor, einige sehr visionär und in Wien sicher nicht durchführbar. „Es war uns immer wichtig, junge Ideen von außerhalb Wiens einzubeziehen“, meinte der damalige Planungsstadtrat Rudolf Schicker.

Von den amerikanischen Donauufer-Visionen ist übrigens bis heute kaum etwas in reale Projekte eingeflossen.

Auf einen Blick

Weltstars. In Wienplanen und bauen zunehmend internationale Spitzenarchitekten. Die Franzosen Dominique Perrault und Jean Nouvel sowie die Britin Zaha Hadid sind nur einige der bekanntesten Namen aus der globalen Architekturbranche. Sie sollen in Wiens Stadtgestaltung neue Akzente setzen. Aber auch Architekturstudenten aus aller Welt nehmen immer öfter an Bewerben teil und liefern interessante Inputs für die Stadtplanung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2012)

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