Hans-Peter Wipplinger: 80 Schritte pro Minute

HansPeter Wipplinger Schritte Minute
HansPeter Wipplinger Schritte Minute(c) Kunsthalle Krems APA Fotoservice (Markus Haslinger)
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Beruflich hat es ihn nach Krems verschlagen. Trotzdem bleibt Kunsthalle-Direktor Hans-Peter Wipplinger Wien eng verbunden. Ein Cityguide.

Einhundertfünf. So viele Schritte geht man pro Minute, wenn man in New York unterwegs ist. In Wien sind es nur etwa 80 Schritte in der Minute. Hans-Peter Wipplinger, der beide Städte kennt, hat mitgezählt. Und genau diesen „verlangsamten Stadtrhythmus“ mag er an Wien. „Die Qualität des Flanierens ist hier eine sehr hohe“, sagt Wipplinger, der seit vier Jahren die Kunsthalle Krems leitet, aber weiterhin in Wien lebt. „Man nimmt sich mehr Zeit, man kann die Dinge besser wahrnehmen.“

Wipplinger sitzt bei einer Melange im Café Engländer im ersten Bezirk, wirkt entspannt, obwohl in seinem Terminplaner an diesem Nachmittag noch einige Treffen eingetragen sind. Berufliche Termine legt Wipplinger gern ins Engländer, „weil man hier in Ruhe Meetings abhalten kann, die nicht selten in den Feierabend übergleiten“. Er kenne nicht viele Lokale, die wie das Engländer zugleich Mittagsrestaurant sind, Kaffeehaus, aber auch Bar und Ausgehlokal am Abend.

Museumsvisite. Nach dem Kaffee geht es für den Kunsthalle-Krems-Direktor weiter zu einer Institution, die er seit seinem Kunstgeschichtestudium, für das er in den 1990ern aus Oberösterreich nach Wien gezogen ist, gut kennt: das Kunsthistorische Museum (KHM). Spaziert man mit ihm durch die Gemäldegalerie, fühlt sich das wie eine intensive Kunstgeschichtenachhilfestunde mit einem hoch motivierten Lehrer an. Wipplinger bleibt stehen, erklärt, zeigt Zusammenhänge. 26 Werke aus dem KHM – darunter „Mars, Venus und Amor“ aus Tizians Werkstatt – werden demnächst als Leihgaben für die Ausstellung „Große Gefühle. Von der Antike bis zur Gegenwart“ nach Krems übersiedeln. Thematisch nach den „großen Gefühlen“ wie Liebe und Freude, Trauer oder Zorn geordnet werden ab 10. März in Krems alte Meister (aber etwa auch Kaiserin Sisis Trauerrobe) mit zeitgenössischen Werken „in Dialog gesetzt. Meine Intention ist es, zeitliche Grenzen durchlässig zu machen und den Menschen zu zeigen, dass das Neue nicht ohne das Alte funktioniert.“

Als Ausstellungshaus, das sich besonders der zeitgenössischen Kunst verschrieben hat, sei die Kunsthalle „experimenteller in der Präsentation“ als historisches Erbe bewahrende Häuser wie das KHM, das für Wipplinger „eines der wichtigsten Museen der Welt“ ist.

Einer der zeitgenössischen Künstler, die für Wipplinger schon in seiner Zeit als Leiter des Museums Moderner Kunst in Passau eine große Rolle gespielt haben, ist der 2012 verstorbene Franz West. Unter anderem hat Wipplinger in Passau eine „eigentlich für West atypische Skulptur“ gezeigt, die heute im Wiener Stadtbild zu sehen ist: die Gerngross-Säule in der Rahlgasse. Mit dem gleichnamigen Kaufhaus auf der Mariahilfer Straße hat die Skulptur nichts zu tun, vielmehr ist sie eine Hommage an den Architekten Heidulf Gerngross. Die Säule ist aus Betonabgüssen von Blumentöpfen und Mülltonnen zusammengesetzt, oben thront ein Ei, auf dem spiegelverkehrt der Name „Gerngross“ zu lesen ist. „Spiegelverkehrt deswegen, damit das Küken im Ei die Schrift auch lesen kann.“

Ein weiterer Lieblingsort Wipplingers liegt im dritten Bezirk nahe seiner Wohnung: das Salettl im Arenbergpark, das in den warmen Monaten mit seinem kleinen Gastgarten zum Sitzenbleiben einlädt. „Das Gute daran ist“, sagt Wipplinger, „dass es nie hip werden wird, weil es nicht entsprechend ausgestattet ist.“ Die unschönen Flaktürme im Arenbergpark seien als „Mahnmale der Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg“ erhaltenswert.

Die Ausstellung „Große Gefühle. Von der Antike bis zur Gegenwart“ ist ab 10. März (bis 30. Juni) in der Kunsthalle Krems zu sehen. www.kunsthalle.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2013)

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