Privatisierungen: Ein politisches Tabu

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Die Wiener Volksbefragung im März stellt auch die Frage nach Privatisierungen. Diese könnten den Wienern viel bringen, sind aber politisch nicht umsetzbar.

Wien. Die Österreicher gelten als gemütliches Volk – vor allem die Wiener. Nicht nur deshalb hat es sich eingebürgert, dass der Staat bzw. die Stadt den Bürgern jegliche Sorgen abnehmen will. Und es meist auch tut. Gerade Wien hat das Prinzip „von der Wiege bis zur Bahre“ perfektioniert – von der Geburt im städtischen Krankenhaus bis zum letzten Weg bei der städtischen Bestattung. Privatisierung? Fehlanzeige. Auch wenn dadurch Dienstleistungen oft besser und billiger angeboten werden könnten.

Trotzdem wird derzeit in Wien über Privatisierung, besser gesagt über die Nicht-Privatisierung, diskutiert. Anlass ist die Wiener Volksbefragung vom 7. bis 9.März, bei der auch folgende Frage gestellt wird: „Die kommunalen Betriebe bieten der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen. Sind Sie dafür, dass diese Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?“

Bei dieser Fragestellung muss man kein Prophet zu sein, um das Ergebnis vorherzusagen. Aber diese Frage ist schließlich der Wunsch der Wiener SP, die nicht einmal einen Fußbreit die Tür für Privatisierungen in der Stadt öffnen will und sich das für alle Zeiten absegnen lassen möchte. Und selbst wenn die Wiener völlig überraschend für mehr Privatisierungen stimmen sollten: SP-Klubchef Rudolf Schicker hat für diesen Fall klargestellt: „Wir privatisieren nichts.“

Private haben es in Wien schwer

Während die anderen Parteien keine Abstimmungsempfehlung für die Volksbefragung abgeben, mobilisiert die SP also als einzige Partei gegen die Privatisierung, obwohl private Initiativen in Wien bisher kaum eine Chance hatten. Beispielsweise wurden private Konkurrenten der Bestattung Wien nach einiger Zeit einfach geschluckt. Die skurrilen Blüten dieser Wiener Eigenart waren erst vor wenigen Tagen in der „Presse“ zu lesen. Die rot-grüne Stadtregierung wünschte sich mehr erneuerbare Energie für ihren Energieversorger. Die Wien Energie beteiligte sich daraufhin an einem geplanten Pumpspeicherkraftwerk in Oberösterreich – dessen Bau allerdings unrentabel ist. Es nicht zu bauen kostet die Wien Energie allerdings auch rund 25 Millionen Euro.

Trotz dieses Fiaskos spricht sich nur die Wiener VP für eine Teilprivatisierung der Wien Energie aus – wenn auch schaumgebremst. Parteichef Manfred Juraczka: „Die Wien Energie muss zumindest einen strategischen Partner an Bord nehmen – das haben bereits sieben von neun Landesenergiegesellschaften getan.“ Damit könnten Synergieeffekte geschaffen werden, wodurch Stromkunden weniger bezahlen müssten. Auch im Gemeindebau könnte laut Juraczka privatisiert werden – auch schaumgebremst. Besserverdiener, die eine Gemeindewohnung finanziell nicht mehr nötig haben, sollen sich ihre Wohnung kaufen können.

Damit ist aber Schluss bei jener Partei, die lange „mehr privat, weniger Staat“ propagierte. Bei der Privatisierung der Daseinsvorsorge (Wasser, Abwasser, Müll etc.) will Juraczka nicht einmal anstreifen. Zu sehr ist es im Bewusstsein der Wiener verankert, dass sich die Stadt um alles kümmert. Und Veränderungen erzeugen Unsicherheit. Keine Partei will sich hier die Finger verbrennen, auch die Freiheitlichen nicht. Eine Privatisierung der Daseinsvorsorge kommt für den nicht amtsführenden FP-Stadtrat Eduard Schock nicht infrage. Maximal eine Senkung der Beteiligung der Stadt am Flughafen Wien ist für ihn diskutabel. Allerdings müsste die Stadt weiter eine Sperrminorität halten. Gleichzeitig fordert Schock sogar noch mehr Einfluss der Stadt: „Wien muss wieder Gemeindebauten bauen.“

Die Grünen dagegen sind traditionell nicht für Privatisierungen. Selbst für Ausgliederungen (die Firmen agieren privatwirtschaftlich, bleiben aber im Besitz der Stadt) kann sich Klubchef David Ellensohn nicht erwärmen: „Beispielsweise hat die KAV-Ausgliederung keine Einsparungen gebracht.“ Nur in der Bildung sehen es die Grünen gelassener. Privatschulen oder private Kindergärten sind laut Ellensohn eine „Bereicherung“. Das mag auch daran liegen, dass ranghohe Grüne in derartige Schulprojekte involviert sind.

Auf einen Blick

Privat oder Staat? Im Zuge der Wiener Volksbefragung vom 7. bis 9.März werden die Wiener befragt, ob die kommunalen Betriebe vor einer Privatisierung „geschützt“ werden sollen. Diese Frage ist rein rhetorisch. Denn es gibt keine politische Partei in Wien, die eine echte Privatisierung im Bereich kommunaler Einrichtungen fordert. Dazu passt, dass Private, die es mit der Stadt aufnehmen wollen, bis heute de facto keine Chancen haben, um dauerhaft zu bestehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.