14.000 Kubikmeter pro Sekunde kann der Wiener Hochwasserschutz aushalten. Ein Ereignis, das statistisch nur alle 3000 bis 5000 Jahre vorkommt.
In Wien hat die Donau in den vergangenen Tagen einen Pegel von 8,09 Meter sowie eine Durchflussmenge von rund 11.000 Kubikmeter pro Sekunde und damit ein Niveau erreicht, das einem sogenannten hundertjährlichen Ereignis entspricht. Von der Flut betroffen waren vor allem die Häfen Lobau und Albern sowie die Lokalmeilen Sunken City und Copa Cagrana, die sich aber in ausgewiesenen Überschwemmungsbieten befinden. Die Wohngebiete blieben hingegen verschont.
Gefahr für die Stadt drohte keine, denn es gab noch "Spielraum". Denn der Hochwasserschutz in Wien könnte bis zu 14.000 Kubikmeter pro Sekunde bewältigen. Ein solches Ereignis würde statistisch gesehen nur alle 3000 bis 5000 Jahre eintreten, erklärte ein Sprecher der Gewässerabteilung (MA 45). Zuletzt sei dies 1501 der Fall gewesen.
Sollte jedoch eine solche Flut tatsächlich kommen, dann würden jene Gebiete, die schon in den vergangenen Jahrhunderten überschwemmt worden waren, betroffen sein. Dabei handelt es sich laut MA 45 um Teile der Leopoldstadt, der Brigittenau, der Donaustadt und von Floridsdorf - also jener Bezirke, die an der Donau liegen.
Überdies würde Berechnungen zufolge bei einer Durchflussmenge von 14.000 Kubikmeter pro Sekunde die Donauinsel - zumindest fast - untergehen: "Sie würde noch einen Meter aus dem Wasser herausragen", so der Sprecher.
Donauinsel ist Hochwasserschutz
Wobei dies noch nie der Fall war, denn die Donauinsel gibt es erst seit 25 Jahren. Das 21 Kilometer lange Areal entstand aus dem Aushub, der bei der Errichtung des sogenannten Entlastungsgerinnes - der Neuen Donau - entstand, das als Hochwasserschutz dient. Die Arbeiten dauerten von 1972 bis 1987.
Weitere Vorsorge-Arbeiten wie etwa die Sanierung des Marchfeldschutzdammes oder die Erhöhung des Hafenumschließungsdamms Lobau folgten in den vergangenen Jahren. Bis 2015 sehen die Pläne der Stadt vor, den Hafenumschließungsdamm Albern sowie den Alberner Hauptdamm zu erhöhen und zu verstärken.
In Österreich und Mitteleuropa hat das Hochwasser Schäden in Milliardenhöhe angerichtet, Wien ist nicht davon betroffen. Denn die Hauptstadt verfügt über einen wirksamen Hochwasserschutz - die Donauinsel. Früher wurden Stadtteile, etwa die Gegend um den Mexikoplatz im 2. Bezirk, bei Hochwasser überschwemmt. Bild vom Donauinselfest 1997, Text: her, Fotos: MA 45 (c) PR Bilder (MA 45)
Bereits 1918 entstand die Idee, zur Verbesserung des Hochwasserschutzes ein Entlastungsgerinne für die Donau zu bauen. Doch der Spatenstich zum Projekt kam erst 1972. Im Bild: Spatenstich 1972 (c) PR Bilder (MA 45)
Nach dem verheerenden Hochwasser 1954, das den Hubertusdamm gegenüber den heutigen Gemeindebezirken Floridsdorf und Donaustadt fast zum Bersten gebracht hätte, wurde in Wien über eine Verbesserung des Schutzes diskutiert. 1969 stelle die Rathaus-SPÖ Koalitionspartner ÖVP vor vollende Tatsachen und beschloss den Bau der Donauinsel. Die Koalition platzte. Die Donaunisel wurde zur Ideologiefrage: "Spaghetti-Insel" oder "Fadennudel" wurde das lange Eiland abschätzig genannt, und das zweite Flussbett - weniger gustiös - "Pissrinne".Im Bild: Spatenstich 1972 (c) PR Bilder (MA 45)
Die Idee war einfach und genial: Ein zweites Donaubett parallel zum Hauptstrom, dazwischen eine freie Fläche, die überschwemmt werden konnte. Vor dem Beschluss wurden auch andere Projekte diskutiert, darunter den Bau eines "Umfluters" nordöstlich der Stadt. Doch dieser wäre noch teurer gekommen als die Insel. Im Bild: Absturzbauwerk 1972 (c) PR Bilder (MA 45)
Sieben Milliarden Schilling (umgerechnet circa 510 Millionen Euro) kostete das Projekt. Beim Bau von 1972 bis 1988 wurden 30 Millionen Kubikmeter Aushubmaterial bewegt. Im Bild: Baggerschiff 1972 (c) PR Bilder (MA 45)
Bei Normalwasser ist die Neue Donau ein stehendes Gewässer. Nur bei Hochwasser werden die Wehre geöffnet, der Hauptstrom entlastet und Überschwemmungen vermieden. Der Hochwasserschutz in Wien könnte bis zu 14.000 Kubikmeter pro Sekunde bewältigen. Im Bild: 1978 Einlaufbauwerk (c) PR Bilder (MA 45)
Die hochwasserfreie Donauinsel zwischen dem Entlastungsgerinne und dem Hauptstrom entstand quasi als Nebenprodukt durch die Aufschüttung des Aushubmaterials. Im Bild: Rundblick 1972 (c) PR Bilder (MA 45)
Was mit dieser Insel passieren sollte, davon hatte man zu Baubeginn keine blasse Ahnung. Im Bild: 1977 (c) PR Bilder (MA 45)
Diskutiert wurden mehrere Projekte, darunter ob eine Kaserne, Sportplätze oder Universitätsgebäude auf der Insel gebaut werden. Sogar ein Riesenparkplatz mit 15.000 Stellplätzen und Fischzuchtteiche fanden sich in den Konzepten. Bild aus dem Jahr 1977 (c) PR Bilder (MA 45)
Erst 1979 einigte man sich auf ein Konzept: Die 21 Kilometer lange und bis zu 201 Meter breite Insel sollte als Erholungsgebiet mit klar eingeteilten Nutzungszonen erhalten bleiben. Bild aus dem Jahr 1978 (c) PR Bilder (MA 45)
Im Laufe der Planung regte sich auch der Ökogedanke. So wurden die Uferböschungen flacher und damit naturnaher gestaltet als ursprünglich geplant.Bild aus dem Jahr 1978 (c) PR Bilder (MA 45)
Der Baumbestand wie zum Beispiel am Toten Grund im Süden der Insel wurde großteils erhalten. Bild aus dem Jahr 1978 (c) PR Bilder (MA 45)
Erschwert wurden die Bauarbeiten dadurch, dass in die Entstehungszeit der Donauinsel auch der Bau mehrerer Brücken fiel: Die Reichsbrücke war im August 1976 eingestürzt, die Floridsdorfer Brücke wurde im Dezember 1976 aus Sicherheitsgründen gesperrt und anschließend erneuert, außerdem wurde die Brigittenauer Brücke gebaut. Bild aus dem Jahr 1979 (c) PR Bilder (MA 45)
Zudem entstanden auf der Oberfläche der Insel Feuchtgebiete, nicht immer geplant. So besiedelten Schwalben eine Humus- und Aussanddeponie und animierten so zum Bau des "Schwalbenteiches". Bild aus dem Jahr 1979 (c) PR Bilder (MA 45)
Als erstes Biotop auf der Insel wurde 1978 die Kreimellacke gestaltet. Als letztes entstand 1989/1990 das Tritonwasser. Mit circa zwei Hektar Wasserfläche ist es das größte künstliche Gewässer auf der Donauinsel. Dort muss die MA45 immer wieder Trampelpfade zupflanzen - die Fauna und Flora am Tritonwasser soll ungestört bleiben. Bild aus dem Jahr 1980 (c) PR Bilder (MA 45)
Als "Initialzündung" wurden Binsen, Seggen, Wasserpfefferminze, Rohrkolben und Schwanenblume gesetzt. Bild aus dem Jahr 1980 (c) PR Bilder (MA 45)
Inzwischen gibt es auf der Donauinsel ein reichhaltiges Tierleben - darunter auch Amphibien wie die Knoblauchkröte, Reptilien wie Zauneidechse und Ringelnatter, 25 verschiedene Fischarten. Bild aus dem Jahr 1981 (c) PR Bilder (MA 45)
Offiziell zur "Teilnutzung" wurde die Insel erst 1984 freigegeben, im selben Jahr fand das erste Donauinselfest statt. Inoffiziell hatten die Wiener ihre Insel längst entdeckt. Bild aus dem Jahr 1981 (c) PR Bilder (MA 45)
Heute kommen an schönen Sommertagen bis zu 200.000 Menschen auf die Insel. Der obere Zipfel liegt übrigens bereits in Niederösterreich. Bild aus dem Jahr 1981 (c) PR Bilder (MA 45)
Auch eine Lokalszene entwickelte sich. Die "Copa Cagrana", ein Neologismus aus den Namen der Stadtteile Kagran in Wien und Copacabana in Rio de Janeiro. Bild aus dem Jahr 1981 (c) PR Bilder (MA 45)
Die Wiener Lokalmeile wird bei starkem Hochwasser von den Fluten der Neuen Donau überschwemmt. Bild aus dem Jahr 1981 (c) PR Bilder (MA 45)
Inzwischen sind die Lokale abgewirtschaftet. Seit Jahren liegen die Stadt Wien und der Pächter der Copa Cagrana im Streit. Bild aus dem Jahr 1981 (c) PR Bilder (MA 45)
Die letzte Neugestaltung von Teilen der Insel erfolgte beim Bau des Kraftwerks Freudenau, das seit 1997/98 in Betrieb ist. Im Bild: Donauinselfest 1991 (c) PR Bilder (MA 45)
Das Donauinselfest gibt es auch heuer, trotz des Hochwassers. Inzwischen zählt das Spektakel drei Millionen Besucher an drei Tagen. Mehr zum Programm: Donauinselfest mit Amy Macdonald und Minisex 1991 Donauinselfest (c) PR Bilder (MA 45)
Im Donautal in Niederösterreich waren rund 4000 Objekte vom Hochwasser betroffen. Immerhin: Die Kosten für die Schäden dürften unter jenen des Hochwassers von 2002 liegen.
Das Bundesheer zieht eine erste Hochwasserbilanz. Bis zu 3700 Soldaten waren zeitgleich im Einsatz. Die Aufräumarbeiten dauern noch mindestens drei Wochen.
Das Wasser ist weg, der ärgste Schlamm ist beseitigt, doch für die Hochwassergemeinden fängt die harte Zeit erst richtig an. Sie müssen jetzt alles wieder aufbauen.
