Der moderne Wiener Wanderzirkus

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Das temporäre Kreativzentrum "Trust Building" feiert seinen ersten und wohl letzten Geburtstag. Für die Zukunft denkt man an Kooperationen mit Immobilien der Caritas.

Wien. Das Haus Schönbrunner Straße 111 ist leicht zu übersehen. Zumindest von außen sieht das Gebäude mit der weißen Fassade aus wie jedes andere. Nur vergangenen Freitag konnte einem auffallen, dass hier etwas anders ist: Da liefen nämlich die Vorbereitungen für ein Geburtstagsfest an.

Das „Kreativgrätzel“ Trust 111 feierte sein einjähriges Bestehen – und ein knappes halbes Jahr weiteres Überleben. Denn nur bis Dezember 2013 läuft das Projekt noch, dann ist die Zwischennutzung beendet, und das Haus, das in Privateigentum steht, wird generalsaniert. Hat sich das Projekt ausgezahlt? Wie geht es dem modernen Wiener Wanderzirkus, der sich in leeren Häusern niederlässt, insgesamt? Zum Fest ziehen die Betreiber Bilanz. Rückblende: Im Sommer 2012 bekam der Architekturstudent Lukas Böckle im Zuge seiner Diplomarbeit eine Wohnung und Dachterrasse in der leer stehenden Schönbrunner Straße 111 von Mikado Architects zur Verfügung gestellt. Mit seinem Kollegen Stephan Pircher entwickelte er ein Konzept für ein Pop-Inn Guesthouse, ein temporäres Hotel. Als der Eigentümer den beiden die ganze Immobilie zur Zwischennutzung überließ, war das Trust Building geboren und öffnete seine Türen für kreative Köpfen aus den Bereichen bildende Kunst, Film und Musik. Mit Margot Deerenberg, vom Verein Onorthodox gründete Böckle den Verein Trust 111.

Aktuell gibt es im Haus drei Wohnungen, die als Guesthouse genützt werden. Die Themenzimmer – etwa „Franz und Sissi“ – wurden von Kunststudenten entworfen. Weiters im Haus: eine Ateliergemeinschaft für Künstler mit geringen Mieten (4,5 Euro pro Quadratmeter), ein Proberaum für Musiker und ein Vereinslokal. Voraussetzung für die Nutzung der Räume ist die Mitgliedschaft im Verein. Derzeit gibt es 65 Mitglieder. Durch den Mitgliedsbeitrag und das Gästehaus sind die Unkosten des Eigentümers gedeckt – und das Gebäude wird belebt.

Eine Win-win-Situation? So einfach ist es nicht. Trust 111 ist ein Non-Profit-Projekt. „Wir bekommen keine Förderungen oder Zuschüsse,“ sagt Böckle. Mit ein Grund: Diese werden nur für Einzelprojekte, nicht für das ganze Hausprojekt gewährt. „Wenn jemand aus dem Verein nicht zahlt, fallen die Kosten auf uns persönlich zurück“, so Böckle weiter. Trust, also Vertrauen, bekommt da eine handfeste Bedeutung. „Vertrauen aufzubauen ist ein langer Prozess. Wir haben anfangs einige Fehler gemacht, aber mittlerweile sind wir ein gutes Team“, sagt Böckle.

Nie wieder unter drei Jahren

Die Finanzen sind aber nicht die einzige Hürde – auch das Ablaufdatum macht Sorge: „Viele Hauseigentümer haben Angst, dass Leute das Haus dann besetzen und nicht mehr gehen wollen“, sagt Deerenberg. Nachsatz: „Diese Angst haben auch wir.“ Probleme mit den Nachbarn bekam man hingegen in den Griff: Durch die Schließung sowohl des Gastgartens als auch der Dachterrasse um 22 Uhr wurde ein Lärmkompromiss gefunden.

Wie es nun weitergeht? In der Zukunft wollen die Vereinsgründer keine kurzfristigen Projekt mehr machen. „Unter drei Jahren hat es keinen Sinn ein solches Projekt aufzuziehen. Es hat sehr viel Energie gekostet, das Projekt dahin zu bringen, wo es heute ist“, sagt Deerenberg. Findet der Verein bis zum Auszug im Dezember kein neues Haus, wird er aufgelöst. Eine Option ist es, eine langfristige Zusammenarbeit mit der Caritas anzusteuern. „Es gibt von der Caritas einige Leerstände die wir nutzen wollen.“ Erfahrungen mit der Caritas hat man bereits: In der Schönbrunner Straße 111 ist eine „Start-up-Wohnung“ für Migranten untergebracht. Auch die Caritas ist der Idee nicht abgeneigt. Apropos Zukunft: Offen ist derzeit auch noch, wie es mit der „Fox House“-Idee weitergeht. Das ehemalige Kreativhaus im siebenten Bezirk ist seit Sommer 2012 geschlossen. Doch Gründer Toni Tramezzini wälzt Pläne für ein neues Kreativzentrum. Eventuell ein permanentes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2013)

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