Von Kronkorken, Blüten und altem Nazi-Schrott: Die Mythen der Seen

Geheimnisvolle Kisten im Toplitzsee  (Archiv !! )
Geheimnisvolle Kisten im Toplitzsee (Archiv !! )APA
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Toplitzsee, Lünersee oder Seethaler See? Wo unter Wasser Raubgold der Nazis vermutet wird.

Die Geschichte des Ausseer Toplitzsees ist eine der verhinderten Sensationen, der großen Schatzsucher, die ein für alle Mal klären wollten, was es mit den Legenden von kistenweise Gold auf sich hat. Seit Jahrzehnten wollen solche alle paar Jahre klären, was in dem Salzkammergut-See, der von 1943 bis 1945 Schauplatz waffentechnischer Versuche war, versenkt wurde. Denn das Gerücht vom Schatz ist hartnäckig: Zwei Lastwagen voll schwerer Kisten, beladen mit Raubgut aus Konzentrationslagern, zu Barren geschmolzenem Zahngold und geheimen Dokumenten, sollen in der Nacht auf den 29. April 1945 zum See gefahren und von Ruderbooten aus versenkt worden sein.

Zahlreiche Suchaktionen gab es seither. 1959 ließ ein „Stern“-Journalist Kisten voll Falschgeld und Nazi-Unterlagen übers Geldfälschen aus dem See herauftauchen. Nach dem Tod eines Tauchers galt im tiefen See angesichts der Gefahr durch schlechte Sicht und Baumstämme, die im sauerstoffarmen Wasser nicht verrotten, lange ein Tauchverbot. In den 1980er-Jahren wurde wieder Falschgeld heraufgetaucht, im Jahr 2000 brachte ein Tauchgang eine Kiste zu Tage: Gefüllt mit Knochen und Kronkorken, offenbar von Ausseer Scherzbolden Jahre zuvor in den See geschmissen.

Die Bundesforste, Eigentümerin des Sees, wollen den Mythos nun wieder einmal endgültig klären. Die vielen, illegalen Tauchgänge von Hobbyschatzsuchern stoppen und „den See zur Ruhe bringen“, wie es heißt. In erster Linie aber gehe es nicht um den Schatz, sondern um eine Kartografierung des 103 Meter tiefen Sees, heißt es. Den privaten Partnern, die sich daran beteiligen sollen, unter anderem Terra Mater, einer Red-Bull-Tochter, geht es freilich um den Schatz. Noch aber gibt es keine Einigung, sagt ÖBF-Sprecherin Pia Buchner, die ersten Taucher oder Roboter könnten 2015 oder 2016 abtauchen. Zuletzt wollte der US-Schatzsucher Norman Scott im Toplitzsee nach einem Schatz suchen, scheiterte aber daran, dass er 2009 das nötige Geld nicht auftreiben konnte.


Zweifel am Schatz im Lünersee. Aber Scott hat auch danach trotz seines Alters von mittlerweile 82 Jahren die Suche nach Nazi-Gold in Österreichs Seen nicht aufgegeben: Vorigen Sommer wähnte er es im Vorarlberger Lünersee. Die Illwerke, der Besitzer, hatten die Schatzsuche des legendären Duos Norman Scott/Jerry Lee schon genehmigt, als diese absagten: Es seien Zweifel am Mythos vom Schatz aufgetaucht, hieß es.

Die Vorarlberger Legende basiert auf Edward Greger, einem früheren CIA-Agenten, der im München der Nachkriegszeit stationiert war und später das Buch „Lünersee“ verfasst hat. Greger will einst von vier Kisten voll „Dachau-Schätzen“, millionenschweren Wertsachen, die KZ-Insassen geraubt worden waren, erfahren haben. Vier Nazi-Schergen aus Dachau sollen diese Kisten in den letzten Kriegstagen dort, am Fuß der Schesaplana auf 1970 Metern Seehöhe, eilig vergraben haben. Ein zum Tode verurteilter SS-Offizier soll davon dem Mediziner Wilhelm Gross, der inhaftierte NS-Verbrecher behandelt hat, erzählt haben. Von Gross erfuhr Greger vom angeblichen Schatz, gemeinsam wollten sie ihn suchen. Bevor es dazu kam, wurde 1956 die verdächtige Stelle aber geflutet, als der Pegel des Lünersees im Zuge eines Staudammbaus stieg.

In den letzten Jahren wurde der Pegel wegen Instandhaltungsarbeiten wieder auf den Stand von 1945 abgesenkt, ideale Bedingungen für eine Suche. Scott war mehrmals in Vorarlberg, suchte mit Metalldetektoren. Dann aber äußerte Scott Zweifel, CIA-Dokumente sollen belegen, dass Raubgut aus Dachau schon 1945 von Amerikanern beschlagnahmt worden sei. Die Suchaktion wurde „auf unbestimmte Zeit“ verschoben.

Auch in einem dritten heimischen See sind alle Versuche, Nazi-Schätze zu finden, bisher gescheitert. Im Seethaler See im Lungau. Der Moorsee soll, so erzählen es Legenden, Juwelen und Gold in Kisten bergen. 2001 hat ein Schweizer im Auftrag zweier israelischer Publizisten versucht, im schlammigen Grund nach Schätzen zu tauchen, fand ein paar Wehrmachtskarabiner und Blechdosen. Aber die Aktion wurde abgebrochen. Denn die Schatzsuche war nicht genehmigt – offiziell hatte das Team, das zum Teil schon am Toplitzsee gesucht hatte – nur Arbeiten für einen Naturfilm angemeldet. Also rückte die Staatspolizei an.

Das Raubgut im Seethaler See soll, wie das im Lünersee, aus Dachau stammen. Ein SS-Aufseher im KZ Dachau soll von einem Lkw mit 36 Kisten voll Gold und Schachteln mit Diamanten erzählt haben, die zum Toplitzsee gebracht werden sollten. Auf der Fahrt dorthin soll es zum Streit gekommen sein, ein SS-Mann sei erschossen und die Fracht im Seethaler See versenkt worden.


Skepsis am Seethaler See. Im Lungau schenkte man diesen Legenden wenig Glauben. Dass eine der Rückzugsrouten der Wehrmacht durch den Lungau führte, ist erwiesen. Aber dort ist nur von Waffen, die Soldaten in den See geschmissen haben, die Rede. Dass gerade ein Moorsee als Versteck gewählt worden sei, glaubt niemand. Und seit der letzten gescheiterten Aktion 2001, so erzählt Georg Gappmayer, der Bürgermeister von Tamsweg, habe niemand mehr im See gesucht. Der Moorsee wachse immer mehr zu, und bei den Leuten in der Gegend ist es mittlerweile still um den Mythos geworden.

Mythos Gold

Um mehrere heimische Seen – Toplitzsee, Lünersee und Seethaler See – ranken sich Geschichten um verstecktes Raubgut aus Konzentrationslagern.

Bei Suchaktionen wurden bisher bloß Falschgeld oder Wehrmachtsdevotionalien gefunden. Am Lünersee wurde eine Suche zuletzt abgeblasen, die Bundesforste wollen im Toplitzsee bald klären, was es mit den Mythen auf sich hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2014)

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