"Steigen sie nicht mehr ein“, herrscht die Stimme aus dem Lautsprecher die Passagiere in Unter St. Veit an. Ein jugendliches Pärchen hält sich nicht daran und wirft sich in letzter Sekunde durch die Türen der Silberpfeil-Garnitur, die gleich darauf stadtauswärts davongleitet. Am anderen Ende der Stadt, in Erdberg, verfolgen wachsame Augen die Szene: Blaustichige Bildschirme an der Wand zeigen, was sich auf den Bahnsteigen entlang der U4 abspielt.Weiter: Bilder aus der Leitstelle Erdberg
(c) Stanislav Jenis
Unter ihnen lässt sich an einer Wandinstallation in Echtzeit verfolgen, wie die U-Bahn-Garnitur, repräsentiert durch einen dicken roten Strich, entlang der Strecke von „UV“ nach „OV“ fährt, wie die Weichen und Ampeln entlang dieser Strecke gestellt sind.
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Die Leitstelle der Wiener Linien ist das Nervenzentrum des Wiener U-Bahn-Systems: Hier laufen alle Informationen über Posititon und Geschwindigkeit der Züge zusammen.
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Hier überwachen 24 Stunden täglich die „Stellwerkswärter“ das Netz, um im Notfall Züge anhalten zu können, sie umzuleiten oder die Fahrgäste über Abweichungen vom Fahrplan zu informieren.
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Nur: Wenn ein Nervenzentrum Probleme hat, spürt man das bis in alle Gliedmaßen. So war es auch am Dienstag, als es zum bisher großflächigsten U-Bahn-Ausfall gekommen ist. Einen Stock unter dem Kontrollraum befindet sich der Serverraum, der die Leitstelle mit dem Rest der Stadt verbindet. Der "Übeltäter" beim Ausfall am Dienstag war ein "Switch".
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Ein Switch, das ist ein Verteilungsknoten, der Daten in einem Computernetzwerk umleitet – eine Art Weiche für Datenpakete (zu sehen im oberen Teil des Kastens). Genau so ein Teil, das in seiner normalen Lebensdauer normalerweise keine Wartung benötigt, fiel am Dienstag aus – und das Backup dafür ebenso.
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Genau dieser Switch verbindet aber die Leitstelle mit den 21 „Stellwerken“ im Wiener U-Bahn-Netz: mehrere Stationen lange Kombinationen aus Weichen, Signalen und Sensoren, deren Abstimmung aufeinander dafür sorgt, dass der Verkehr ungehindert fließen kann.Bild: U3-Stationen und wartezeiten
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Die Folge: In der Leitstelle sah man plötzlich nicht mehr, wo sich die Züge befanden, wie die Signale standen. Betroffen waren U3, U4 und U6, deren Stellwerke noch auf Relaistechnik basieren; U1 und U2 waren im Zuge ihrer Erweiterung bereits auf ein neueres, elektronisches System umgestellt worden.
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Nun waren die Stellwerke zwar weiter funktionsfähig – aber ohne steuernde Aufsicht. Während alle Züge aus Sicherheitsgründen gestoppt wurden, liefen dort die Telefone heiß: Dutzende Mitarbeiter wurden aus der Freizeit gerufen und mit Blaulicht durch die Stadt gefahren, um die Stellwerke manuell, an lokalen Leitstellen entlang der Strecken zu bedienen.
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Weil für diesen Fall nicht genügend geschulte Mitarbeiter bereitstehen – einer der Vorteile der zentralen Leitstelle ist es ja, nicht jeden Streckenposten einzeln besetzen zu müssen. Bis in die Morgenstunden dauerte die Fehlersuche, jetzt ist der Switch ausgewechselt.
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Das Wiener U-Bahn-Nervenzentrum
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